Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tigermann

Der Tigermann

Titel: Der Tigermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lecale ERrol
Vom Netzwerk:
war der Gott der Gesundheit, der Weisheit und einer heilen Welt. Sein Glaube war erdennah, vernünftig, etwas, was sich von so manchen der esoterischeren Lehren nicht sagen ließ.
    In Strumpfsocken, denn Schuhe durften innerhalb des Heiligtums nicht getragen werden, legte Eli zehn Rupien in die Opferschale vor der wohlwollenden Figur des Gottes.
    Er neigte den Kopf in offensichtlicher Andacht. Zuerst glaubte er, die Stimme, die er hörte, käme aus ihm selbst, stamme von den fernen Brüdern.
    »Alles wird gut«, sagte die Stimme. »Alles wird gut.«
    Jemand zupfte an seinem Ärmel und als er aufschaute, blickte er in ein Gesicht so schrumplig wie ein Holzapfel vor der neuen Ernte. Der Schädel war kahlrasiert und ein dünner Bart zierte das Kinn. Die Greisengestalt steckte in der safrangelben Robe des Priesters. Es war ein Gewand, das an Sauberkeit zu wünschen übrig ließ. Aber die braunen Augen zwinkerten, und der zahnlose Mund verriet Humor.
    »In bin Bapu. Ich soll mit dir sprechen, mein Sohn«, erklärte der Alte. »Komm mit mir.«
    »Und mein Freund?« Eli deutete auf Hugo.
    »Hier ist er sicher. Habe keine Sorge um ihn. Oder um dich. Komm nur mit.«
    Eli folgte der verhutzelten Gestalt. Wohin führte ihn der Alte? Was hatte das überhaupt zu bedeuten?Er fühlte Angst in sich aufkommen, aber Eli war es gewohnt, mit der Angst zu leben. Es würde immer so sein.
     
    Die Zelle, zu der der Greis ihn führte, war nur mit einer Matte am Boden und einer hölzernen Kopfstütze ausgestattet. Das war alles.
    Der Alte verzog seinen Mund zu einem Lächeln. »Kein Luxus hier, ist nicht das Ritz oder Savoy. Aber hier kann niemand uns hören.«
    Die Erwähnung des Ritz und Savoys überraschte Eli nicht. London war den reichen Hindus der oberen Kasten wohlbekannt. Dieser Bapu war zweifelsohne wohlhabend gewesen, ehe er sich für das geistige Leben entschieden hatte. Bei Gautama Buddha war es nicht anders gewesen. Es wunderte ihn auch nicht, daß Bapu mit ihm Kontakt aufgenommen hatte. Indien war immer noch voll Rätsel.
    Bapu kauerte sich, geschmeidig für einen Mann zwischen achtzig oder neunzig Jahren, auf seine Fersen. Eli versuchte es ihm gar nicht erst nachzumachen. Aus Erfahrung wußte er, daß seine Oberschenkelmuskeln bei solcher Belastung streikten. Er setzte sich mit ausgestreckten Beinen auf die Matte, auf die ein Porträt des gütig lächelnden Ganesas mit hocherhobenem Elefantenrüssel gestickt war.
    Der Greis musterte Eli erst eine lange Weile, ehe er begann.
    »Wie willst du das Werk der Priester Kalis zunichte machen, mein Sohn? Wie willst du den Scheradmi retten?«
    »Retten? Wieso glauben Sie, daß ich die Mordbestie retten will?«
    »Das ist deine Absicht. Du mußt ihn natürlich vernichten, mußt ihm seine schreckliche Veranlagung nehmen. Und indem du das tust, rettest du ihn.«Eli nickte. Der Greis hatte genau das ausgedrückt, was er selbst empfand. Er spürte eine geistige Verwandtschaft mit diesem Priester Ganesas.
    »Er kann nicht gerettet werden, solange er unter dem Bann Saivas steht«, warf er ein. »Der Priester Kalis ist der Schöpfer dieses Scheradmi. Ich glaube, er hat die absolute Herrschaft über ihn.«
    »Du weißt schon viel. Ja, es ist wahr. Saiva hat ihn geschaffen und beherrscht ihn. Und Saiva verfügt über große Macht. Offen etwas gegen ihn zu unternehmen, würde die ganze Stadt in Aufruhr bringen. Wie gedenkst du gegen ihn vorzugehen?«
    »Ich dachte, ich könnte mich vielleicht in den Tempel Kalis einschleichen und ein bißchen mehr über diesen Priester erfahren.«
    Bapu sog Luft durch seine Lippen, so daß sie einsanken wie eine ausgedörrte Orange.
    »Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Nicht einmal in der besten Verkleidung und unkenntlichsten Maske. Dir sind die Riten fremd, und du würdest schon in den ersten Minuten auffallen.«
    »Oh, ich bin nicht ganz unerfahren in diesen Dingen«, ‘widersprach Eli. »Und in aller Bescheidenheit, ich stelle mich auch recht geschickt an.«
    Der Greis sog nun auch die Wangen ein, dann schüttelte er bedächtig den Kopf.
    »Trotzdem. Saiva hat einen besonderen Sinn. Er würde von deiner Anwesenheit allein schon durch die Wellen erfahren, die du ausstrahlst. Er würde dich überwältigen, und das wäre das Ende – nicht nur für dich allein, sondern für viele Unschuldige. Denn wer sonst könnte es mit einem Scheradmi aufnehmen?«
    Eli nickte nachdenklich. Bapu hatte recht. Er durfte sein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel setzen,

Weitere Kostenlose Bücher