Der Tigermann
Nase bewundert. Er war froh, daß Terrahpur kein Moslemstaat war, wo die Frauen verschleiert gingen.
»Du bist schön«, sagte er schmeichelnd auf französisch.
Vor Überraschung zuckte er fast zurück, als sie ihm in der gleichen Sprache antwortete.
»Und du bist ein großer, wohlgebauter und sehr gutaussehender Mann.« Das Mädchen lächelte. »Sicher liegt deine Kraft nicht nur in deinen Schultern.«
Sie lachte weich, lockend. Und sie wehrte sich nicht dagegen, als er seinen Schritt dem ihren anpaßte und sie begleitete.
In Gedanken malte er sich bereits aus, welchen Spaß sie miteinander haben würden, und er war so beschäftigt damit, daß er sich gar nicht wunderte, wieso sie Französisch verstand und sprach.
Er folgte ihr in einen kleinen Hof, den sie durch eineschmale, von der Hauptstraße abbiegende Gasse betraten. Ein winziger Garten befand sich hier, in dessen Mitte als einziger Schattenspender ein Pfirsichbaum wuchs. Die samtigen Früchte hingen von den vollbeladenen Ästen, und ein aphrodisischer Duft von Früchten, Blumen und Räucherwerk schwebte in der Luft.
»Hier herein«, murmelte sie und öffnete eine Tür.
Hugo hatte keinerlei Vorahnung einer Gefahr, als er ihr in die Dunkelheit folgte. Doch plötzlich senkte sich tiefe Finsternis über ihn. Etwas wie ein Sack wurde über seinen Schädel gestülpt, und danach traf ein heftiger Schlag seinen Schädel und brachte ihn an den Rand der Bewußtlosigkeit.
Aus der Kehle des Franzosen drang ein wütendes Brüllen. Mit einer Hand zerrte er an dem hemmenden Sack, mit der anderen schlug er heftig aus. Seine gewaltige Faust fand Widerstand. Er hörte das Knirschen von Knochen. Eine entsetzliche Wut hatte ihn erfaßt, Wut auf die, welche ihn hereingelegt hatte, und auf sich selbst, weil er sich hatte täuschen lassen. Und auch, weil er sich schämte, daß er durch seine Unbedachtsamkeit Eli schaden konnte.
Doch Wut und Reue verflogen mit dem nächsten, noch kräftigeren Schlag auf seinen Schädel, der ihn in das Land der Träume schickte.
»Er ist stark, sehr stark«, staunte eine Stimme,
»Um so besser«, erwiderte eine andere. »So hält er länger durch.«
Aber Hugo hörte weder die eine, noch die andere Stimme.
Eli vermochte nicht genau zu sagen, wann er sich zum erstenmal Gedanken um Hugo machte. Aber als die Dunkelheit hereingebrochen und der riesige Franzose immer noch nicht zurück war, wußte er, daß etwas nicht stimmte, absolut nicht stimmte.
Er hatte Hugo als Tourist getarnt in die Stadt geschickt, um die Stimmung zu erforschen, sich umzusehen und herumzuhorchen. Der Franzose verstand zwar wenig Hindu, aber vielleicht erfuhr er trotzdem etwas. Ein anderer Grund war, daß Hugo sich offensichtlich im Palast eingesperrt und beengt fühlte. Er war ein Mann, der wie die wilden Stiere seiner Heimat keine Mauern um sich vertrug. Außerdem war er ein Mann, der Frauen brauchte, aus dem gleichen Trieb wie die Bullen.
Darum hatte Eli ihn gehen lassen, obwohl es natürlich nicht schwierig gewesen wäre, für die passende weibliche Gesellschaft innerhalb des Palasts zu sorgen.
Und doch war es kaum vorstellbar, daß er sich in Gefahr befand. Obwohl seine telepathischen Fähigkeiten nicht so stark entwickelt waren wie Maras, war er immerhin in der Lage, primäre Emotionen wie Angst, Ärger und Neugier mitzuteilen. Aber sein Gehirn hatte nicht gesendet.
Ruhelos schritt Eli in seiner Suite auf und ab. Nebenan schlief Mara, die sich noch von ihrem Schock erholen mußte. Ihr Körper hatte die wunderbare Eigenschaft, schnell zu heilen, aber sie war völlig erschöpft.
Er hat eine Frau gefunden, dachte Eli. Der riesige Franzose lag in irgendeinem Bett in der Stadt, und seine Männlichkeit schenkte einem einheimischen Mädchen ein Erlebnis, wie kein anderer es ihr bieten konnte.
Es mußte ganz einfach alles in Ordnung sein.
Aber trotzdem machte Eli sich Sorgen. Er brachte es nicht fertig, zu Bett zu gehen, sich überhaupt nur zu entspannen, solange Hugo nicht zurück war. Und wenn er schließlich kam, konnte er sich auf etwas gefaßt machen. Er würde allerhand zu hören bekommen über seine Abstammung, seine Moral, seine Unzuverlässigkeit…
Doch wenn Hugo jetzt tatsächlich durch die Tür träte, wäre Elis Erleichterung so groß, daß er damit hinter dem Berg halten und er sich nur über seine Rückkehr freuen würde.Er ertrug die Ungewißheit nicht länger und suchte Jhanta Mansur, den Majordomus, auf.
»Ich bin Hugos wegen sehr beunruhigt«,
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