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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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für möglich gehalten, aber nicht diese leidenschaftliche Nummer, die er miterleben musste.
    Er öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Der Zürichsee klatschte gegen die Uferbefestigung. Razor hörte darin nur die Schläge auf Svetlanas Po.
    Er öffnete die Mappe, die er auf dem Schreibtisch liegen hatte. Dort war das Foto eines blonden jungen Mannes abgeheftet. Er war schmal und trug eine Brille.
     
34.
    Wieder hatte ich in meinem Postfach ein braunes Kuvert mit einem Schiffsticket vorgefunden. Ich kannte diese Prozedur nun schon und machte mich anderntags früh zum Bürkliplatz auf. In Kilchberg stieg ein gut gekleideter Herr zu. Er trug einen grauen Anzug, weißes Hemd, eine marineblaue Krawatte und eine getönte Pilotenbrille mit Goldfassung. Über dem Arm trug er einen hellen Popelinemantel. Er roch nach gutem, aber irgendwie hochprozentigem Rasierwasser, und sein Auftreten strahlte die Gediegenheit eines Geschäftsmanns aus. Wer ihn jedoch genauer in Augenschein nahm, bemerkte sein verquollenes Gesicht unter dem mit Brillantine akkurat gezogenen Scheitel.
    Er sah sich um und steuerte dann meinen Tisch im Bordrestaurant an. Wortlos setzte er sich. Ich erkannte den Verbindungsmann, der in Freiburg mit mir Kontakt aufgenommen hatte. Er orderte Tee mit Rum.
    – Tag, Boy Scout!
    Ich zog fragend die Brauen hoch.
    – Dein Alias bei uns.
    Irgendwie müde streckte er die schweren Beine von sich und lehnte sich zurück. Sein Gesichtsausdruck verriet, wie angeödet und genervt er von dem Job war, dem er sich heute Morgen unterzog. Er schob die frisch gestärkten Manschetten zurück, um einen Blick auf seine Armbanduhr werfen zu können.
    – Ich will es kurz machen: Was du bisher geliefert hast, ist Mist. Völlig unbrauchbar. Wir arbeiten kein Schullehrbuch für Physik aus, wir wollen ein klares Bild von dem Feld haben, in dem Petri im Moment arbeitet.
    Er legte den Ausriss eines Zeitungsartikels auf den Tisch.
    – Lies das mal. Hier steht, dass Petri mit Kaltenbrunner zusammen an einer Weltformel arbeitet. Das interessiert uns. Den Rest kannst du dir sonst wohin stecken.
    Sein Jackett hatte er aufgeknöpft, die Krawatte gelockert, und sein Bauch ragte auf. In den Stuhl gelümmelt, hatte er alles Weltmännische verloren und wirkte ordinär.
    – Hör mal, mit deiner umfassenden Bildung wirst du mich auf Anhieb verstehen: Die heiligen Männer der Inquisition haben ihren Delinquenten erst mal ihre Instrumente gezeigt.
    Er wischte sich über den Mund. Seine Lippen waren trocken.
    – Wir könnten dich zum Beispiel aus Zürich abziehen. Oder an die Staatssicherheit verpetzen. Wir müssen nicht jeden Schritt im Gesetzbuch nachschlagen. In dieser Hinsicht geht es bei uns sehr freizügig zu.
    Die Schiffssirene tutete. Man näherte sich Rüschlikon. Er erhob sich und knöpfte sein Jackett wieder zu.
    – In zwei Wochen möchte ich ein dickes Paket hier an Bord vorfinden.
    Er deutete mit dem Kinn auf die Toilette. Dann verließ er grußlos das Restaurant. Etwas zu breitbeinig stakste er über die Gangway.
     
35.
    In der darauffolgenden Nacht erlitt ich einen heftigen Fieberschub. Zuerst hatte ich Schüttelfrost. Ich begann alle im Zimmer verfügbaren Decken auf mich zu häufen. Meine Zähne klapperten, ich lag eingerollt im Bett und hielt meine Knie umklammert. Dann folgte Hitze, ich glühte. Malikow und Salantino paradierten in einem Endlostraum auf und ab. Sie umkreisten eine ringförmige Anlage, in deren Mitte ein Obelisk stand. Im Stechschritt marschierten sie aufeinander zu und salutierten bei jeder Begegnung. Ein Ende war nicht abzusehen. Irgendwann spät in der Nacht verließ ich eingehüllt in eine Decke mein Zimmer und schleppte mich zur Toilette. Auf dem Rückweg begegnete mir Frau Hetzenecker.
    – Du meine Güte, was ist denn mit Ihnen los?
    Dankbar überließ ich mich ihrer Fürsorge. Sie brachte mich ins Zimmer zurück. Anschließend verschwand sie in der Küche und kam mit einem großen Tablett. Sie hatte Lindenblütentee zubereitet und verabreichte mir Wadenwickel, die sie immer wieder in eine Schüssel mit kaltem Wasser tauchte und mir um die Beine legte. Während der ganzen Prozedur blieb sie an meinem Bett sitzen. Ich fühlte ihre kühle Hand auf meiner Stirn.
    Endlich ließ das Fieber nach und ich schlief ein. Als ich dann anderntags aufwachte, war es bereits elf Uhr. Ich arbeitete mich hoch und stieg aus dem Bett. Frau Hetzenecker streckte den Kopf herein, sie hatte Geräusche

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