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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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Jacketttasche hatte Bunny einen Kassenzettel gefunden und gesehen, dass Libby die Anzüge im Top Shop am Churchill Square gekauft hatte, zwei Tage vor ihrem Selbstmord. Was hatte das zu bedeuten?
    Jeden Tag kommt ein verrückteres und traurigeres Detail von Libbys Ableben ans Tageslicht. Ein Nachbar sagte, er habe gesehen, wie Libby ein paar Tage vor ihrem Tod mehrere Blätter Papier angezündet und vom Balkon geworfen habe. Wie sich herausstellte, waren es die Liebesbriefe, die Bunny ihr vor der Hochzeit geschrieben hatte. Er fand noch ein paar angekokelte Schnipsel unter der Treppe, zwischen Spritzen und Kondomen. Was war bloß in sie gefahren?
    Sie musste völlig durchgedreht sein.
    Der molkegesichtige, weibische Father Miles, dessen Schädel von einer weißen Haarwolke umhüllt ist, hält die Trauerrede in einem gepressten Flüsterton, und Bunny muss den Hals recken, um alles zu verstehen. Er bezeichnet Libby als »lebenslustig und von jedermann geliebt« und später als »selbstlos und über alle Maßen großzügig«, aber Bunny fällt auf, dass er mit keinem Wort ihre psychische Krankheit und die daraus resultierende Art ihres Dahinscheidens erwähnt, außer dass er sagt, sie sei »vorzeitig ins Reich der Engel eingegangen«.
    Bunny wirft einen flüchtigen Blick auf die Gemeinde und sieht auf der anderen Seite der Kirche einige – wenige Freundinnen von Libby, die sich alle in dieselbe Bankreihe gequetscht haben.
    Patsy ›Bad Vibes‹ Parker wirft Bunny in einer Tour anklagende Blicke zu, doch Bunny erwartet auch nichts anderes. Patsy Parker konnte Bunny noch nie leiden und demonstriert ihm das bei allen möglichen Gelegenheiten. Patsy ist klein und hat ein überdimensionales Hinterteil, und ihre winzigen Füße stecken die meiste Zeit in High Heels, um ihren zwergenhaften Wuchs zu kaschieren. Immer wenn sie Libby besuchte, stakste sie zielstrebig und obszön durch den Flur, und Bunny musste dann immer an eins der drei kleinen Schweinchen denken, wahrscheinlich an Schweinchen Schlau, das sich ein Haus aus Stein baute. Was besonders passend ist, denn Patsy hatte Bunny einmal, nachdem er einen versauten Kommentar über Sonia Barnes aus Nr. 12 (die wandelnde Sexorgie) abgelassen hatte, zornig als ewig hungrigen Wolf bezeichnet. Bunny hatte angenommen, sie meint den Comic-Wolf mit dem Sabbermaul und den hervortretenden Augäpfeln, und diese Bemerkung sogar als Kompliment aufgefasst. Von da an sagte er jedes Mal, wenn er sie sah: »Ich werde husten und prusten und dir dein Haus zusammenpusten.« Bunny überlegt, ob er die Augäpfel rollen und ihr die Zunge rausstrecken soll, begreift dann aber mit einer gewissen Genugtuung, dass er nicht gefickt werden kann.
    Neben Patsy Parker sitzt Rebecca Beresford, die Libby bei jeder Gelegenheit als »die große Schwester, die sie nie hatte«, »ihre Seelenverwandte« und »ihre beste Freundin auf der ganzen Welt« bezeichnete. Rebecca Beresford redet schon seit Jahren nicht mehr mit Bunny, seit einem Vorfall beim Grillen am Rottingdean Beach, bei dem eine halbe Flasche Smirnoff Blue Label, ein rohes Chipolata-Würstchen, ihre fünfzehnjährige Tochter und eine gründliche Fehlinterpretation der Zeichen im Spiel waren. Es war zu einem Eklat gekommen, und die Sache ließ sich selbst durch ein Jahr der Zerknirschung und des allgemeinen Arschkriechens nicht wieder hinbiegen. Bunny hatte den Verdacht, dass Rebecca Beresford mehr oder weniger krankhaft eifersüchtig auf ihre Tochter war, die ihre Mutter in Sachen Optik um Längen schlug. Als sie einmal in ihrem Stringbikini Lolita-like den steinigen Strand von Rottingdean entlangschlenderte, hatte sie eine so immense Wirkung auf jeden anwesenden Mann, dass das allseitige ›Plopp‹ herausfallender Augen und die rauschende Umverteilung von Blut förmlich hörbar war. Rebecca Beresford konnte vor Bestürzung und Scham nur in sich zusammensinken, während die letzten Reste ihrer eigenen Schönheit sie für immer verließen wie verängstigte Bewohner ein Haus, in dem es spukt. Irgendwann war man zu der unausgesprochenen Übereinkunft gekommen, es in Zukunft bei gegenseitiger Verachtung zu belassen. Wie auch immer. Rebecca Beresford feuert von der anderen Seite der Kirche eine Breitseite finsterer Blicke auf Bunny ab.
    Neben ihr sitzt Helen Claymore, eine echte Überdurchschnitte, die Bunny ebenfalls böse Blicke zuwirft, aber Bunny sieht, dass sie nicht mit dem Herzen bei der Sache ist und eindeutig Bock hat. Das ist keine

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