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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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ihrer drogenschlaffen Unterlippe blitzt ein Streifen orangefarbenen Fleisches hervor. Bunny findet, ihre Nippel sehen aus wie die Zünder an Seeminen, mit denen man im Krieg Schiffe in die Luft jagt, und er ist kurz davor, es ihr zu sagen, vergisst es dann aber, zieht nochmal an der Zigarette und sagt: »Das war meine Frau. Sie ist depressiv.«
    »Nicht nur sie, Süßer«, erwidert die Prostituierte und tigert über den grell gemusterten Teppich auf Bunny zu, und ihre rosa Zungenspitze blitzt zwischen ihren Lippen hervor. Sie fällt auf die Knie und nimmt Bunnys Schwanz in den Mund.
    »Nein, bei ihr ist das krankhaft. Sie nimmt Medikamente.«
    »Dann haben wir was gemeinsam, sie und ich, Schätzchen«, erwidert das Mädchen über Bunnys Bauch hinweg.
    Bunny bringt seine Hüften in Position und denkt über diese Antwort nach. Auf seinem Bauch liegt eine schlaffe, schwarze Hand, und er blickt nach unten und sieht, dass auf jeden einzelnen Fingernagel das Bildchen eines tropischen Sonnenuntergangs gemalt ist.
    »Manchmal ist sie total am Boden«, sagt er.
    »Deshalb heißt es ja, man ist down, Baby«, sagt sie, aber Bunny hört es kaum, weil ihre Stimme ein tiefes, unverständliches Krächzen ist. Die Hand auf seinem Bauch zuckt.
    »Hey? Was ist los?«, sagt er, zieht Luft durch die Zähne und keucht plötzlich, denn da war er wieder, dieser Endzeitgedanke, sprengte plötzlich sein Herz – »Ich bin verdammt« –, und Bunny legt einen Arm über die Augen und krümmt sich ein wenig.
    »Alles okay, Darling?«, fragt die Prostituierte.
    »Ich glaub, oben läuft eine Wanne über«, sagt Bunny.
    »Psst.«
    Das Mädchen hebt den Kopf und sieht Bunny flüchtig an, und er versucht, den Mittelpunkt ihrer schwarzen Augen zu finden, die verräterischen Nadelstiche ihrer Pupillen, aber sein Blick verliert sich und verschwimmt. Er legt die Hand auf ihren Kopf, spürt den feuchten Schimmer in ihrem Nacken.
    »Psst, Baby«, sagt sie noch einmal.
    »Nenn mich Bunny«, antwortet er und sieht den nächsten Wassertropfen, der bebend an der Decke hängt.
    »Ich nenn dich, wie du willst, Süßer.«
    Bunny schließt die Augen und drückt die Hand auf ihre rauen Haarzöpfchen. Wasser zerplatzt auf seiner Brust, sanft wie ein Schluchzen.
    »Nein, nenn mich Bunny«, flüstert er.

2
    Bunny stolpert im Dunkeln und tastet an der Badezimmerwand nach dem Lichtschalter. Es ist irgendwann in diesen toten Stunden, zwischen drei und vier, und die Prostituierte hat er genagelt, gelöhnt und rausgeschmissen. Bunny ist allein und wach, und ein mordsmäßiger Kater treibt ihn auf die qualvolle Suche nach den Schlaftabletten. Er glaubt, dass er sie vielleicht im Bad liegen gelassen hat, und hofft, dass sie der Nutte nicht in die Hände gefallen sind. Da, endlich, der Schalter. Brummend und summend leuchten die Neonröhren auf. Bunny nähert sich dem Spiegel mit seinem erbarmungslosen Licht, und trotz seines heiß und toxisch pochenden Katers – sein Mund ist trocken und faulig, er ist feuerrot im Gesicht, seine Augen sind blutunterlaufen und seine Frisur zerdrückt – ist er nicht unzufrieden mit dem, was er da sieht.
    Nicht dass ihm irgendwelche Einblicke, Erleuchtungen und oder großen Weisheiten zuteil würden, aber er sieht sofort, warum die Ladys auf ihn stehen. Er ist weder ein muskulöser Lover mit kantigem Kiefer noch ein Charmeur mit Kummerbund, aber selbst von seinem fuselgedunsenen Gesicht geht ein Zauber aus, eine magnetische Anziehungskraft, die irgendwie mit den Einfühlsamkeitsfältchen zusammenhängt, die sich beim Lächeln in seinen Augenwinkeln bilden, mit dem schelmischen Schwung seiner Brauen und mit den Grübchen, die sich beim Lachen in seine Wangen graben und die Jungfernhäutchen reihenweise reißen lassen. Da! Da sind sie wieder!
    Er wirft sich eine Schlaftablette ein, und aus irgendeinem schauerlichen Grund gibt es einen Kurzschluss, die Leuchtröhren gehen flackernd an und aus. Für den Bruchteil einer Sekunde wird Bunnys Gesicht wie von Röntgenstrahlen durchleuchtet, und seine Schädelknochen springen grün an die Hautoberfläche. »Oh Mann!«, sagt Bunny zu seinem grinsenden Totenkopf, wirft sich noch eine Schlaftablette ein und geht wieder ins Bett.
     
    Geduscht, gegelt und deodoriert sitzt Bunny im Frühstücksraum des Grenville Hotels und beugt sich über ein Boulevardblatt. Er trägt ein frisches Hemd mit ochsenblutroten Rauten darauf und fühlt sich wie ausgekotzt, ist aber ansonsten ganz optimistisch. In diesem Spiel

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