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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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Kopfschütteln: »Ich sage Ihnen, diese Welt wird von Tag zu Tag verrückter.«
    Bunny tippt mit einem manikürten Finger auf die Zeitung, sieht zu der Kellnerin hoch und sagt: »Ich meine, haben Sie das gelesen? Lieber Himmel.«
    Die Kellnerin sieht ihn ausdruckslos an.
    »Dann lassen Sie es. Lassen Sie es einfach.«
    Sie macht eine abgespannte, ruckartige Kopfbewegung. Bunny faltet die Zeitung zusammen und legt sie beiseite, damit sie das Tablett abstellen kann.
    »Beim Frühstück will man so was lieber nicht lesen, schon gar nicht, wenn man einen Zementmixer im Schädel hat. Oh Mann, ich fühl mich, als wäre mir die ganze Minibar auf den Kopf geknallt.«
    Er sieht aus dem Augenwinkel, dass ein gelber Sonnenstrahl durch den Frühstücksraum gekrochen und die Innenseite von Rivers Bein hochgewandert ist, aber weil sie jetzt nervös herumzappelt, entsteht der surreale Eindruck, ein flackernder Scheinwerfer wäre von innen auf ihren Rock gerichtet oder als würde durch ihre bleiche, teigige Schenkelinnenseite stoßweise Licht nach außen sickern. Bunny kann sich nicht entscheiden.
    Er blickt runter auf sein Frühstück, das in einer Fettpfütze schwimmt, piekt mit der Gabel traurig ein Würstchen an und sagt: »Meine Güte, wer hat denn die Eier hier gebraten? Das Sozialamt oder was?«
    Die Kellnerin lächelt und nimmt die Hand vor den Mund. Sie trägt eine dünne Halskette mit einem Anhänger in Form einer Drachenklaue, die einen kleinen gläsernen Augapfel umklammert. Bunny erhascht das ungeschützte Lächeln in ihren großen, ausdruckslosen Augen.
    »Na also. Endlich ein kleiner Sonnenstrahl«, sagt Bunny und presst die Schenkel zusammen, und in seiner Dammgegend oder sonst wo kündigt sich ein wohliges Kribbeln an.
    Die Kellnerin fummelt an ihrer Halskette. »Möchten Sie Tee?«
    Bunny nickt, und als sie von seinem Tisch weggeht, sieht er, wie ihre Hüften plötzlich verlegen wippen, und er weiß sicherer als sonst irgendwas auf der Welt, dass er diese Kellnerin auf der Stelle flachlegen könnte, kein Thema. Als sie mit dem Tee zurückkommt, zeigt er also auf ihr Namensschild und fragt: »Ist das da Ihr Name? River? Wie sind Sie denn an den gekommen?«
    Die Kellnerin legt die Hand auf das Namensschild. Bunny fällt auf, dass ihr matter, transparenter Nagellack auf hypothetische Art und Weise zum farblosen Ton ihrer Augen passt. Beide haben irgendwas mit dem Mond oder den Planeten oder weiß der Geier womit zu tun.
    »Meine Mutter hat ihn mir gegeben«, antwortet die Kellnerin.
    »Ach ja? Ein hübscher Name«, sagt Bunny, schneidet ein Würstchen durch und steckt es sich in den Mund.
    »Ich wurde nämlich in der Nähe von einem Fluss geboren«, fügt sie hinzu.
    Bunny kaut, schluckt, beugt sich vor und sagt: »Na, ein Glück, dass du nicht in der Nähe von einer Toilette geboren wurdest.«
    Eine Falte alten Schmerzes gräbt sich in die Haut um ihre Augen und lässt sie kleiner werden, dann erlöschen sie, werden leer, und die Kellnerin dreht sich um und geht.
    »Hey, tut mir leid. Komm zurück. Das war doch nur Spaß.«
    Der Frühstücksraum ist leer, und Bunny faltet in gespielter Demut die Hände und sagt flehend, »Bitte«, und die Kellnerin geht langsamer.
    Bunny versinkt im Anblick ihres Hinterteils in dem lila Gingan-Rock, und eine kleine Unregelmäßigkeit in dem kreuzschraffierten Muster setzt die Gesetze der Zeit außer Kraft. Erschüttert begreift Bunny, dass dies ein maßgeblicher Moment für diese junge Frau ist, dass sie vor einer Entscheidung steht. Vor einer Entscheidung, die in ihrem Leben vielleicht für immer Spuren hinterlässt: Sie könnte einfach weitergehen, und dieser Tag mit seinen tristen Möglichkeiten würde ein Tag werden wie jeder andere, aber sie könnte sich auch umdrehen, und ihr süßes, junges Leben würde sich öffnen wie, äh, zwei Schamlippen oder so. Bunny weiß aber, sicherer als sonst irgendwas auf der Welt, dass sie sich tatsächlich umdrehen und willig in den Sog seiner ungeheuren sexuellen Anziehungskraft begeben wird.
    »Bitte«, sagt er.
    Er überlegt, ob er sich mit einem Bein niederknien soll, merkt aber, dass das nicht nötig ist und er danach wahrscheinlich nicht wieder hochkommt.
    River, die Kellnerin, bleibt stehen, dreht sich um, lehnt sich in Zeitlupe zurück in die Strömung und lässt sich auf ihn zutreiben.
    »River ist echt ein schöner Name. Er passt zu dir. Du hast wunderschöne Augen, River.«
    Bunny erinnert sich daran, in der Woman’s Hour auf Radio A

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