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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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ganze Zeit und fragt sich, ob seine Frau Libby wohl Bock hat, wenn er gleich nach Hause kommt.

4
    Bunny biegt in die Church Road ein, und der DJ redet immer noch über Kylies goldene Hotpants – dass sie in einem australischen Museum in einer klimatisierten Vitrine aufbewahrt werden und angeblich mit acht Millionen Dollar versichert sind (höher als das Turiner Grabtuch). Bunnys Handy vibriert, er klappt es auf, holt tief Luft, stößt einen Teil wieder aus und sagt: »Ja?«
    »Ich hab noch einen für dich, Bunny.«
    Es ist Geoffrey, er ruft vom Büro aus an. Geoffrey ist Bunnys Chef und in seinen Augen auch irgendwie ein trauriger Fall, fett geworden in seinem schuhkartongroßen Büro an der Western Road und wie verwachsen mit seinem ächzenden Drehstuhl, von dem er anscheinend kaum noch aufsteht. Vor ungefähr einer Million Jahren war er mal ein ganz ansehnlicher Kerl – auf den gerahmten Fotos an der hinteren Bürowand ist er gut in Form und fast schon attraktiv –, aber jetzt ist er ein perverser Fettkloß mit süßlicher Stimme, und er schwitzt, schnieft und lacht in ein Taschentuch, mit dem er andauernd theatralisch herumwedelt. Geoffrey ist zwar ein trauriger Fall, aber Bunny kann ihn trotzdem gut leiden. Manchmal strahlt er eine väterliche, buddhaähnliche Weisheit aus, für die Bunny ab und an ganz empfänglich ist.
    »Schieß los, Dicker«, erwidert Bunny.
    Geoffrey erzählt Bunny den Witz von dem Typen, der seiner Freundin beim Vögeln sagt, sie soll sich hinknien, damit er sie in den Arsch ficken kann, und das Mädchen sagt, das ist ja pervers, und darauf der Typ, du bist ganz schön vorlaut für eine Sechsjährige, und Bunny meint: »Den kenn ich schon.«
    Im Radio kommt ein Song, den Bunny nicht einordnen kann, und plötzlich geht alles in statischem Rauschen unter, Bunny verpasst dem Radio einen Fausthieb und brüllt »Scheiße!«, woraufhin schwere Klassikmusik aus den Boxen dröhnt. Die Musik klingt, als läutete sie irgendwas ein, das weit jenseits der Grenzen des Schrecklichen liegt. Misstrauisch sieht Bunny das Autoradio an. Es ist ihm unheimlich – dass es einfach wahllos spielt, was es hören will –, und er dreht es leiser.
    »Scheißradio«, sagt Bunny.
    »Was?«, fragt Geoffrey.
    »Mein Autoradio ist …«, und Bunny hört das gequälte Quietschen des Drehstuhls und wie sich Geoffrey am anderen Ende der Leitung eine Dose Lager öffnet.
    »… im Arsch.«
    »Kommst du ins Büro, Bwana?«, fragt Geoffrey.
    »Warum sollte ich?«
    »Weil dein Boss einsam ist und den Kühlschrank voller Bier hat.«
    »Muss erst nach meiner Alten sehen, Geoffrey.«
    »Na dann, schöne Grüße«, erwidert Geoffrey und rülpst herzhaft.
    »Okay«, sagt Bunny.
    »Hör mal, Bun, hier hat eine Frau angerufen, und die hat gesagt, sie ist die Betreuerin von deinem Dad oder so. Du sollst zu ihm fahren. Es ist dringend.«
    »Was, jetzt?«
    »Hey Mann, ich sag dir bloß, was sie gesagt hat.«
    Bunny fährt auf den Hof von Grayson Court, klappt das Handy zu und parkt. Er steigt aus dem Punto, den Musterkoffer in der Hand und das Jackett über der Schulter. Auf seinem kanariengelben Hemd (nach dem Fick mit River hatte er ein frisches angezogen) haben sich unter den Achseln dunkle Flecke gebildet, und auf dem Weg über den Hof spürt er ein vertrautes und nicht unangenehmes Schwellen im Schritt.
    »Vielleicht. Nur vielleicht«, spricht er vor sich hin, denkt an seine Frau und tätschelt die pomadige Locke, die sich kess auf seiner Stirn kringelt.
    Er betritt das Treppenhaus, steigt die Betonstufen hoch und kommt im ersten Stock an einem Mädchen in einem unglaublich kurzen, penicillinfarbenen Minirock und einem engen weißen Baumwolltop vorbei, auf dem FCUK KIDS steht. Ein pickliger Vierzehnjähriger in einer schmuddeligen grauen Jogginghose klebt ihr im Gesicht. Bunny sieht, wie sich ihre kleinen, steifen Nippel durch den Stretchstoff des Tops bohren, und beugt sich im Vorbeigehen dicht an ihren Hals hinunter.
    »Vorsichtig, Cynthia, bei dem räudigen Kerl holst du dir noch was weg«, sagt er.
    Der Junge, mit fischweißem Waschbrettbauch und einem Mantel aus Akne um die Schultern, zischt: »Verpiss dich, du Arsch.« Bunny kläfft ein paar Mal wie ein Hund.
    »Waff! Waff! Waff!«, macht er, beugt sich über das Treppengeländer und nimmt zwei Stufen auf einmal.
    »Komm her, du Wichser!«, brüllt der Junge und will auf ihn losgehen, das Gesicht geballt.
    »Er ist in Ordnung. Lass ihn in Ruhe«, sagt das junge Mädchen

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