Der Tod des Bunny Munro
(seine Lieblingssendung) gehört zu haben, dass überdurchschnittlich viele Frauen ihren Mann am liebsten in kastanienbrauner Kleidung sehen – das hat irgendwas mit Macht oder Verletzlichkeit oder Blut oder so zu tun –, und er ist froh, das Hemd mit den ochsenblutroten Rauten angezogen zu haben. Das macht die Sache einfach ein bisschen leichter.
»Tiefe Augen«, sagt er und lässt den Finger hypnotisch kreisen. »Tief wie das Meer.«
Er spürt, wie in ihm ein Hebel umgelegt wird, und die jämmerliche Maschinerie, die in seinem Kopf schon den ganzen Morgen erbarmungslos knirscht, schmiert sich plötzlich mühelos von selbst und läuft geschmeidig und choreografiert, und er muss fast gähnen, so vorhersehbar ist das, was er gleich tun wird.
Er streckt die Hände aus und sagt: »Rate mal, wie ich heiße!«
»Weiß ich nicht«, antwortet die Kellnerin.
»Na komm. Rate mal.«
»Nein, keine Ahnung. Ich muss weitermachen.«
»Na, seh ich aus wie ein John?«
Die Kellnerin schaut ihn an. »Nein.«
»Wie ein Frank?«
»Nein.«
Bunny macht eine tuntige Handbewegung und flötet: »Wie ein Sebastian?«
Die Kellnerin legt den Kopf schief. »Hmm … vielleicht.«
»Frechheit«, sagt Bunny. »Okay, ich verrat’s dir.«
»Dann mach.«
»Bunny.«
»Barney?«, fragt die Kellnerin.
»Nein, Bunny.«
Bunny hält die Hände hinter den Kopf und lässt sie wackeln wie Hasenöhrchen. Dann zieht er die Nase in Falten und schnüffelt.
»Ach, Bunny. Dann ist River ja gar nicht so übel«, sagt die Kellnerin.
»Sieh an, sie ist nicht auf den Mund gefallen.«
Bunny bückt sich nach dem kleinen Musterkoffer, der neben seinem Stuhl steht. Er stellt ihn auf den Tisch, schiebt die Ärmel hoch und lässt die Verschlüsse aufschnappen. Der Koffer ist voller Kosmetikproben – kleine Fläschchen mit Bodylotion, Beutelchen mit Reinigungsmilch und Handcremetübchen.
»Da, schenk ich dir«, sagt Bunny und gibt River eine Handcremeprobe.
»Und was ist das?«, fragt sie.
»Eine revitalisierende Handcreme mit Elastin.«
»Sie verkaufen das?«
»Ja, an der Haustür. Das Zeug wirkt echt Wunder, wenn du’s genau wissen willst. Nimm es. Das ist gratis.«
»Danke«, sagt River leise.
Bunny wirft einen kurzen Blick auf die Wanduhr, und alles verlangsamt sich, sein Blut rauscht tosend durch die Adern, seine Zahnwurzeln pochen im Kiefer, und er sagt leise: »Ich kann es dir vorführen, wenn du willst.«
River blickt auf das Cremetübchen in ihrer Hand.
»Da ist Aloe vera drin«, sagt er.
3
Bunny dreht den Zündschlüssel um, und der gelbe Fiat Punto springt kränklich stotternd an. Ein geringgradiges Schuldgefühl, wenn man es so nennen kann, eine nagende Bestürzung darüber, dass es jetzt Viertel nach zwölf und er immer noch nicht zu Hause ist, frisst an den Rändern seines Bewusstseins. Er erinnert sich dunkel und etwas beunruhigt, dass Libby am Abend zuvor besonders schlecht drauf war, aber er weiß nicht mehr, warum, und außerdem ist es ein schöner Tag und er liebt seine Frau.
Es ist ein Beweis für Bunnys unverwüstlichen Optimismus, dass die glorreichen Tage ihrer Anfangszeit immer noch bis in die Gegenwart hineinleuchten, sodass es eigentlich egal ist, wie sehr die eheliche Kacke am Dampfen ist; wenn Bunny an seine Frau denkt, ist ihr Arsch noch genauso knackig wie am ersten Tag, ihre Brüste sehen aus wie Torpedos, und sie hat immer noch ihr mädchenhaftes Lachen und ihre fröhlichen Lavendelaugen. Er fährt vom Parkplatz runter in die grandiose Küstensonne, und in seinem Bauch zerplatzt eine Freudenblase. Es ist ein herrlicher Tag und, ja, er liebt seine Frau.
Bunny manövriert den Punto durch den Wochenendverkehr, und als er auf die Küstenstraße kommt, sieht er sie – die große, freudentaumelnde Sommerburleske, die da vor seinen Augen aufgeführt wird, und ihm wird ganz schwindelig.
Grüppchen von Schulmädels mit Scherenbeinen und gepierctem Nabel, Joggerinnen mit allen möglichen Logos, die freudigen Hinterbacken von Hundebesitzerinnen, Pärchen, die es auf dem Sommerrasen treiben, scharfe Strandmuschis unter erotischen Kumulusrundungen, Unmengen von Mädchen, die nur das eine wollen – große, kleine, schwarze, weiße, junge, alte und solche, die auf Leberfleckenzählen stehen, knackige Singlemuttis, die leuchtenden, wippenden Brüste wachsenthaarter Bikini-Babes, die kieselgesprenkelten Pobacken der Frauen, die gerade vom Strand kommen – all das ist einfach der Hammer, findet Bunny – Blonde, Braune
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