Der Tod des Bunny Munro
lässt den Kopf kreisen, um irgendeine Verspannung zu lösen. Sie ist groß und hat breite Schultern, und die schneckenartige kleine Beule auf ihrer Stirn scheint sich in einen winzigen Stoßzahn oder ein Horn oder so was verwandelt zu haben.
»Ja, verdammt, so sind wir Dodos halt manchmal«, blafft Bunny, und sein Augenwinkel zuckt.
Charlotte nimmt eine stabile Haltung ein und faltet die Hände ordentlich vor dem Körper. »Zu Ihrer Information, Mr. Munro, ich bin Schwarzgurt im Taekwondo«, verkündet sie wie eine schlichte, unbestreitbare Tatsache.
»Ach ja?«, erwidert Bunny. »Also, ich hab gerade Ihr Bad vollgepisst …«
»Wie bitte?«, fragt Charlotte und tritt einen Schritt näher.
»Ja, genau. Die Wände, den Teppich, Ihre Hello-Magazine.«
»Sie haben was?!«
»Ihre scheiß Zahnbürste!«, sagt Bunny und entblößt die geraden, weißen Zähne.
Ohne weitere Diskussion federt Charlotte plötzlich auf den Fußballen, die muskulösen Arme locker an den Seiten. Bunny ist sofort hin und weg vom Anblick des Diamantanhängers, der auf seinem pinkfarbenen Wonnepolster herumgeschleudert wird wie ein Kind auf einem Trampolin. Charlotte trägt offensichtlich keinen BH, und direkt vor Bunnys Augen werden ihre Nippel steif und bohren sich durch den dünnen Baumwollstoff ihres T-Shirts – hart, grimmig und ungewöhnlich lang. Ungläubig sieht er, wie sie winzige Comic-Funken sprühen, und einen watteweichen Moment lang denkt er, dass vielleicht, ganz vielleicht doch noch nicht alles verloren ist. Brüllend erwacht der Tiger in seinem Schwanz zu neuem Leben. Unterdessen macht Charlotte Parnovar einen Schritt auf ihn zu und bricht ihm mit einem einzigen, gezielten Faustschlag die Nase. Ein hörbares Krachen, eine gleißende Supernova und einen Blutgeysir später fliegt Bunny rückwärts über das Kattunsofa und landet als verdattertes Häufchen auf dem Boden vor der Eingangstür.
»Hai!«, sagt Charlotte, um den Effekt zu verstärken, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre.
Ein Blutschwall schwappt aus Bunnys Nase auf seine Krawatte, sein Kiefer klafft auf, und er schnappt nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. In Zeitlupe lässt er den Kopf nach vorn fallen, sieht zu, wie sich das leuchtende Blut in seinen hohlen Händen sammelt, und sagt leise, aber voll blanker Empörung: »Scheiße!«
Charlotte hüpft immer noch auf der Stelle, und ihre Nippel sind steinhart.
»Die Grundlagen des Taekwondo sind Integrität, Friedfertigkeit und Respekt. Probieren Sie’s mal damit, Rabbit Man.«
Mühsam rappelt sich Bunny auf und richtet einen zitternden Finger auf sie. »Sie verdammte Drecksschlampe! Sie durchgeknallte … hässliche … kranke …«, sagt er, und Charlotte Parnovar dreht sich grinsend um und schiebt die Hüfte vor.
Bunny Junior wirft einen Blick auf die Uhr und fragt sich, was sein Vater so lange macht. Er schaut zu der kleinen Doppelhaushälfte hinüber, in die Bunny verschwunden ist, und sieht, auch wenn er es nicht hört, wie die Tür aufgeht und sein Vater rückwärts durch die Luft katapultiert wird, die Arme an den Seiten, wie aus einer Kanone geschossen. Sein Vater macht eine Bruchlandung auf dem Gartenweg und bleibt dort liegen. Der Junge sieht, auch wenn er es nicht hört, wie die Tür zugeknallt wird. Bevor er überlegen kann, was er jetzt tun soll, geht die Tür noch einmal auf, und der Musterkoffer seines Vaters kommt ungefähr auf derselben Flugbahn herausgeschossen, kracht auf den Weg, springt auf und speit seine Fracht aus Fläschchen und Tütchen kreuz und quer über den ramponierten Rasen. Der Junge sieht, wie sein Vater den Kopf hebt, sich auf den Bauch rollt, auf alle viere geht und wie ein Irrer die verstreuten Kosmetikproben aufklaubt und in den Koffer wirft. Er versucht ihn zu schließen, aber es gelingt ihm nicht.
Dann steht sein Vater auf, den Musterkoffer an die Brust gedrückt, aber dieser relativ simple Akt geht so furchtbar langsam vonstatten, dass es kaum mit anzusehen ist. Er stolpert den Weg entlang, zieht ein Taschentuch aus der Hosentasche und drückt es an eine offenbar richtig blutige Nase.
Dann fliegt die Tür des Punto auf, und Bunny lässt sich mit einem dumpfen Stöhnen auf den Fahrersitz fallen. Der Junge sieht ihn entsetzt an, muss dann aber plötzlich ganz furchtbar lachen – dieses abgefahrene puterrote Gesicht, das Taschentuch, der demolierte Koffer –, bis er sieht, dass die Kaninchenkrawatte seines Vaters voller Blut ist. Das Lachen bleibt ihm
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