Der Tod des Bunny Munro
passiert?«, fragt sie.
»Das wollen Sie gar nicht wissen«, antwortet Bunny und berührt vorsichtig die blutgetränkten Klopapierstöpsel. »Nur so viel: Der andere sieht noch viel schlimmer aus«, sagt er und winkt jeden weiteren Kommentar ab. »Ich hab wenigstens noch eine Nase.«
Bunny beugt sich vor und nimmt den Verkaufsfaden wieder auf.
»Diese umfassende Serie, die im Einklang mit dem natürlichen Rhythmus der Haut wirkt, schützt Sie vor den Anzeichen vorzeitiger Hautalterung und übertrifft alle bisher erreichten Hautpflegeeffekte …«
»Heißt ihr bei …« – Pamela zeigt mit ihrem Fingernagel in fluoreszierendem Knallpink auf das Logo auf Bunnys Musterkoffer – »… Eternity Enterprises alle wie kleine süße Tierchen?«
»Hä?«, fragt Bunny.
»Er hat dir doch meine Adresse gegeben, oder?«, sagt Pamela und sieht Bunny direkt in die Augen.
»Naja, also …«
»Wie hieß er nochmal?«
»Ah … Poodle«, antwortet Bunny und dreht den Deckel eines Handcremetübchens ab. Was für ein Scheißtag, denkt er. Haben denn alle Frauen der Welt genau am selben Tag Besuch aus Moskau?
»Was hat er über mich gesagt?«, fragt Pamela.
»Dass Sie eine sehr kooperative Kundin sind.«
»So, hat er das?«, sagt Pamela, und Bunny bekommt feuchte Augen, als er sie schwer einatmen und einen reuevollen Seufzer ausstoßen sieht.
»Sehr entgegenkommend, meinte er. Regelrecht großzügig.«
Bunny entdeckt ein riesiges, hellblaues Kaninchen, das in Plastikfolie verpackt auf dem Kaminsims steht, aber bevor er über die bemerkenswerte Synchronizität dieser Tatsache nachdenken kann, lässt sich Pamela, die aussieht, als hätte sie eine unangenehme, verhängnisvolle Entscheidung getroffen, wieder aufs Sofa zurücksinken und sagt: »Erzähl mir mehr über die Handcreme.«
»Nun, Pamela, diese reichhaltige Anti-Aging-Feuchtigkeitslotion macht deine Haut spürbar geschmeidiger und löst abgestorbene Hautzellen, um ihr ein glatteres …«
Pamela greift sich unter den Rock, hebt die Hüften ein wenig an und streift ihren Slip ab, ein schneeweißes Nichts.
»… und … äh, jüngeres Aussehen zu verleihen. Die entspannende Duftkomposition …«
Pamela zieht den Rock hoch und spreizt die Beine.
»… entführt dich in ein Reich von Behaglichkeit und … äh … Stille«, sagt Bunny, und als er den sorgfältig modellierten Dominostein aus schwarzem Flaum sieht, der wie eine Piratenflagge oder der Jolly Roger oder so auf ihrer Spalte balanciert, bekommt er aufs Neue wässrige Augen. Er schließt sie für einen Moment und stellt sich Avril Lavignes Vagina vor, und plötzlich rollen ihm Tränen über die Wangen.
»Hast du irgendwas?«, fragt Pamela.
»Es war ein harter Tag«, antwortet Bunny und wischt sich mit dem Handrücken über das Gesicht.
»Wenn ich dich so ansehe, hab ich so ein Gefühl«, sagt sie, nicht unfreundlich.
»Hm«, erwidert Bunny leise.
»Ich glaube, es kommt alles noch viel schlimmer.«
»Ich weiß«, sagt er mit einem plötzlichen, schwindelerregenden Bewusstsein seiner Lage. »Das ist es ja, was mir Angst macht.«
Pamela schiebt die Hüften vor.
»Magst du Muschis, Bunny?«
Mit einem weichen, schmatzenden Geräusch klappt Bunnys Unterlippe auf. Wie im Kino rauschen die Jahre an ihm vorbei.
»Ja«, sagt er.
»Wie sehr?«
»Ich liebe Muschis.« Er spürt, wie eine tonnenschwere seelische Last von ihm weicht.
»Und wie sehr liebst du sie?«
»Über alles. Mehr als das Leben«, sagt er, und sein Leben zieht rückwärts vor seinen Augen vorüber.
Pamela bringt ihre Hüften in Position.
»Liebst du meine Muschi?«, fragt sie und lässt einen langen, gebogenen Finger in ihre Vagina gleiten.
»Ja, und wie. Über alle Maßen«, antwortet Bunny mit dünner Stimme. »Wie verrückt liebe ich sie.«
»Du schwindelst mich doch nicht etwa an, Bunny?«, schilt ihn Pamela sanft, und ihre gespreizte Linke kreist wie ein amputierter Seestern.
»Niemals. Das ist die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Ich schwöre es.«
Pamela zieht den Finger heraus, der jetzt glänzt, lockt Bunny damit zu sich heran und gurrt aus tiefer Kehle: »Na, dann komm und hol sie dir.«
Bunny rutscht vom Sessel, lässt sich auf alle viere fallen und kriecht mit neugeborenen, ungeübten Bewegungen über den abgewetzten Teppich ihrer Wohnung – in der Hand eine Cremetube, in der Hose ein Mordsrohr und hinter sich eine zarte Spur zerplatzter Tränen.
Quasar – ein fernes, kompaktes Objekt weit
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