Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
Vom Netzwerk:
zu, von dessen Fingerspitzen ein Band aus blauem Rauch aufsteigt, und bleibt vor ihr stehen.
    Das Mädchen hebt den Kopf, und sämtliche Muskeln ihrer Stirn sind an dem Versuch beteiligt, die Lider hochzuziehen. Ihre Hand flattert in der Luft, und durch ihre papierdünne Haut schimmern zarte, vogelähnliche Knochen hindurch. Ein Ascheklümpchen fällt von ihrer Zigarette und landet unversehrt vorn auf ihrem Top. Sie hat grüne Augen, ein aggressives, chemisches Grün, ihre Pupillen existieren nicht, und Bunny geht einen Schritt auf sie zu und sagt zärtlich: »Oh Baby, sieh dich an.«
    Stück für Stück sinkt der Kopf des Mädchens wieder auf die Brust, in kurzen, jähen Rucken, und das Haar fällt ihr ins Gesicht. Bunny legt zwei Finger unter ihr Kinn, hebt ihren Kopf wieder an und sieht, dass das auf dem Poster an der Tür nicht Avril Lavigne ist, sondern dieses traurige Mädchen hier vor ihm – dieselbe kecke Nase, die Kajalaugen, das glatte braune Haar, die Nymphomaninnenoberlippe und der schlanke Teenagerkörper. Dunkel, ganz dunkel ahnt er, dass die Ähnlichkeit mit Avril Lavigne nicht bloß zufällig ist – sie ist übernatürlich. Bunny schießt das Blut in den Kopf, und er wird in einen Strudel von Assoziationen hineingerissen; das feenhafte Mädchen vor ihm – mit den blau anlaufenden Lippen, dem leuchtenden Blutbächlein in der Armbeuge, der Spritze und dem schwarzen Löffel vor sich auf dem Tisch, tödlichen Waffen – ist die beschleunigte Kollision von Zeit und Verlangen, die Verschmelzung all der winzigen Bedürfnisteilchen, die herumwirbeln wie der Silberstaub um die Glühbirne, und sie wurde hervorgebracht von Bunnys verdorbenem Schmerz. In diesem schummrigen, abgeschiedenen Zimmer ist Bunny durch den Spiegel gegangen, in den Tod selbst, in ihren und vielleicht in seinen eigenen.
    »Ich nehm’ dir das mal ab«, sagt Bunny, zieht den Zigarettenstummel zwischen ihren Fingern hervor und wirft ihn in den überfüllten Aschenbecher. »Wir wollen ja nicht die Bude abfackeln.«
    Er kniet sich vor sie und streicht sanft die Zigarettenasche vom faltigen Stoff ihres blassgelben Tops.
    »Ach je«, seufzt er, zündet sich selbst eine Zigarette an, zieht ein- oder zweimal daran und drückt sie im Aschenbecher aus.
    Als er mit den Händen unter ihr Baumwolltop fährt, verkrampft sich ihr Körper und wird dann schlaff; Bunny wölbt die Hände über ihre kleinen, kalten Brüste, und die harten Perlen ihrer Nippel drücken sich in seine aufgeschürften Handflächen. Er spürt, wie ihr sterbendes Herz allmählich langsamer schlägt, und sieht durch ihr dünnes, glattes Haar hindurch einen bläulichen Schimmer auf ihrer Kopfhaut erblühen.
    »Oh meine geliebte Avril«, sagt er.
    Er greift unter ihre Knie und zieht sie vorsichtig zu sich heran, bis ihr Po ganz vorn auf der Sofakante liegt. Dann lässt er die Finger unter den ausgeleierten Gummi ihres Slips gleiten, der auf ihren hervorspringenden Hüftknochen sitzt, zieht ihn bis zu den Knöcheln herunter, drückt sanft ihre Knie auseinander und spürt, während er die letzte Hürde in Form eines Knopfs und eines Reißverschlusses überwindet, wie sich seine Augen erneut mit feuchter Inbrunst füllen. Es ist genau so, wie er es sich vorgestellt hat – die Haare, die Lippen, das Loch –, und er schiebt die Hände unter ihre ausgemergelten Hinterbacken und rammt ihn ihr rein wie einen beschissenen Pfahl.

27
    Die gewaltige Nebelbank ist verschwunden, und Bunny Junior sitzt allein auf der niedrigen Steinmauer und spielt mit seinem Darth Vader, und obwohl der Geist seiner Mutter fort ist, spürt er auf den Lidern noch die kühlen Abdrücke ihrer Abschiedsküsse wie zwei kleine Versprechen. Sie ist, wie es in dem Song heißt, within him and without him and all about him – in ihm und um ihn und überall um ihn herum. Er ist der Stärkste, und er wird beschützt – das hat sie ihm versprochen. Ach, Versprechen, Versprechen, denkt er beinebaumelnd, summt lächelnd vor sich hin, lässt Darth Vader die Mauer entlangspringen und sieht, wie ein alter, schwarzer BMW angefahren kommt und in die Einfahrt des Hauses mit dem Müll auf dem Hof einbiegt.
    Die Fahrertür geht auf, und ein großer, hagerer Mann faltet sich leporelloartig aus dem Wagen, wie ein schmutziges Postkartenset. Er hat blond gefärbtes Haar und trägt enge, ausgewaschene Jeans, ein schwarzes T-Shirt und pinkfarbene Mokassins. Der Mann hat ein cooles Skorpion-Tattoo am Hals, und Bunny Junior findet, er

Weitere Kostenlose Bücher