Der Tod des Bunny Munro
Dreckskarre!«, schreit Bunny, und dann zu Bunny Junior: »Los, verriegel die Tür, schnell! Wir werden alle sterben!«
Bunny blickt hoch, direkt in das blutrünstige Gesicht von Mushroom Dave, das einer zerschmolzenen Horrormaske gleicht, und er sieht den Golfschläger auf einer horizontalen Bahn herumsausen. Sekundenbruchteile darauf wird mit einem Knall wie ein Pistolenschuss sein Seitenfenster zerschmettert, und ein klirrender Regen aus boshaften, kleinen Zirkonen geht auf ihn nieder.
Bunny dreht noch einmal den Zündschlüssel um, und als wäre der Punto über diesen Angriff auf seine Person empört, heult der Motor seltsamerweise genau in dem Moment erbost auf, als Bunny merkt, dass der Junge gar nicht im Auto ist und dass Mushroom Dave unter lautem Gebrüll noch einmal mit dem Golfschläger ausholt.
Bunny tritt aufs Gas und prescht wie ein Irrer auf die Straße, und genau in diesem Augenblick taucht wie aus dem Nichts Bunny Junior auf und spaziert in seinen Shorts und seinem T-Shirt fast lässig auf den Punto zu.
»Dad«, sagt er.
Bunny tritt in die Eisen, der Punto hält quietschend an, und Bunny Junior bleibt wie angewurzelt vor dem Wagen stehen, und für einen Augenblick entsteht zwischen Vater und Sohn eine echte Intimität. Sie sehen einander in die Augen, keiner bewegt sich, keiner sagt ein Wort, und trotzdem fließt zwischen ihnen ein düsterer, vager Strom des Verstehens, der mit Scham, Furcht und Tod zu tun hat.
Mushroom Dave stürmt auf Bunny Junior zu, Polypen schießen wie Pilze aus seinem Gehirn, sein Gesicht ist ein Gemetzel in Scharlachrot, und an seinem Hals windet sich ein schwarzer Skorpion. Er holt aus und brüllt, den Golfschläger über dem Kopf: »Ich mach dich kalt, du kleine Ratte.«
Aber Bunny Junior rührt sich nicht vom Fleck. Er spürt die Küsse seiner Mutter auf den Lidern und denkt an ihr Versprechen – dass sie in ihm und um ihn und überall um ihn herum ist –, er fühlt sich beschützt und merkt, dass seine entzündeten Augenlider nicht mehr wehtun und das Tageslicht weniger blendet, und er hat das Gefühl, dieser Mann da vor ihm ist bloß der nächste fiese Kerl in der nächsten Episode einer endlosen Serie verrückter Vorkommnisse, die sich wie Kalk oder so was an den Angelegenheiten von Erwachsenen ablagern. Für ihn ist das hier bloß ein weiterer Klecks jenes großen Möwenscheißeregens, der bis in alle Ewigkeit auf das Tun der Erwachsenen niederprasselt – mit ihren Hochofengesichtern, ihren mörderischen Golfschlägern, ihren ekelhaften, rohen Mündern und den sich windenden, schwarzen Skorpionen –, und er sieht einfach keinen Grund, sich zu bewegen, aber Mushroom Dave kommt näher, die Uhr tickt, und alle schweben wie Staubwölkchen im Raum, und Bunny brüllt irgendwas Unverständliches und Verzweifeltes, das der Junge nicht hört, weil sein Vater gleichzeitig auf die Hupe haut – Bunny Junior bewegt sich noch immer keinen Zentimeter –, und dann lässt Mushroom Dave das 9er-Eisen mit einem schweren Erwachsenenächzen hinabsausen, der Junge geht reflexartig ein Stück nach links und spürt einen brennenden Schmerz, als der Schläger an seinem Ohr vorbeizischt, dann folgt ein lautes Krachen von Metall auf Metall und der Schläger knallt auf die Motorhaube des Punto. Bunny Junior fasst sich ans Ohr, und als er an seinen Fingern Blut sieht, stößt er einen hellen Schrei aus und sitzt Sekunden später auf dem Beifahrersitz des Punto.
Bunny rast die leere Straße entlang, und der Golfschläger saust noch einmal nieder und zertrümmert dem tapferen kleinen Punto die Heckscheibe. Bunny Junior reibt sich das Ohr, dreht sich um und sieht durch das Loch in der Scheibe, wie sich Mushroom Dave umdreht, zum Haus rennt, das 9er-Eisen auf den Hof wirft und im Bungalow verschwindet.
»Der hatte echt nicht mehr alle Tassen im Schrank, stimmt’s, Dad?«, sagt Bunny Junior.
Er nimmt ein Kleenex aus dem Handschuhfach, betupft sich damit die Spitze des Ohrs, besieht sich das Blut und sagt: »Er hat mich erwischt, Dad.«
Bunny erwidert nichts. Der Wind weht durch das nicht mehr vorhandene Seitenfenster, Bunnys Stirnlocke peitscht ihm um die Augen, und auf seinem Jackett glitzern Pailletten aus zersplittertem Glas. Bunny biegt in eine Seitenstraße ein, stellt den Motor ab, umklammert das Lenkrad und starrt geradeaus. Er holt ein paar Mal tief Luft und zieht dann unter seinem Sitz eine Viertelflasche Scotch hervor, die er dort für Notfälle aufbewahrt. Er dreht den
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