Der Tod des Bunny Munro
Perverser!«
»Aber River, wir hatten doch eine schöne Zeit zusammen, oder etwa nicht?!«, rief Bunny, aber sie rannte weg, ihre Schritte hallten wie Schüsse über den Asphalt, und er hörte sie schluchzen.
»Was war denn mit dem Mädchen da gerade los, Dad?«, fragte Bunny Junior, als sein Vater zum Punto zurückkam.
»Ich glaube, sie ist psychisch krank«, sagte Bunny.
26
Vor Alary Armstrongs Bungalow beugt sich Bunny zu seinem Sohn hinüber, rülpst und sagt mit einer Wolke von hochexplosivem Atem: »Okay, du wartest hier, ich bin gleich wieder zurück.«
»Was machen wir, Dad?«, fragt Bunny Junior.
Bunny nimmt einen Hieb aus seinem Flachmann und steckt ihn wieder in die Jackettinnentasche.
»Wir schütteln den Monetenbaum, okay? Wir ziehen ein paar Trottel über den Tisch und rupfen ein dummes Hühnchen«, sagt Bunny und steckt sich eine Lambert and Butler zwischen die Lippen. »Wir bringen den Pastor um seinen Zaster und Tante Grete um ihre Knete. Wir greifen den Massen in die Kasse. Wir rauben und plündern, wie man unter Verkäufern so sagt.« Bunny zückt sein Zippo und kokelt beim Zigaretteanzünden versehentlich seine Locke an, und der Wagen füllt sich mit dem Gestank von versengtem Haar. »Wir versuchen, Kohle ranzuschaffen! Verstehst du? Und diesmal hab ich ein echt gutes Gefühl.«
»Ja, Dad, aber was machen wir denn, nachdem wir Kohle rangeschafft haben?«
»Wir sind Vampire, mein Junge! Wir sind Geier! Ein Schwarm Piranhas, die einen Wasserbüffel oder ein Karibu oder irgend so ein Vieh häuten!«, sagt Bunny mit einem irren Grinsen. »Wir sind verdammte Barrakudas!«
Der Junge sieht seinen Vater an, und als der die bodenlose Furcht entdeckt, die sich in Bunnys roten Augen festgesetzt hat, packt ihn eiskalt eine Erkenntnis, und er schreckt entsetzt zurück. In diesem Moment begreift Bunny Junior, dass sein Vater keine Ahnung hat, was er tut oder wohin es geht. Ihm wird schlagartig klar, dass er schon seit einiger Zeit Passagier an Bord eines Flugzeugs ist, dessen Pilot sternhagelvoll am Steuer sitzt und das von überhaupt niemandem gesteuert wird, wie er jetzt feststellen muss, nachdem er mal im Cockpit nachgeschaut hat. In den panischen Augen seines Vaters sieht Bunny Junior tausend unverständliche Skalen, Schalter und Anzeigen, die allesamt wie wild ausschlagen, rot blinken und piep, piep, piep machen, und mit einem Anflug von Übelkeit spürt er, wie sich die Nase des Flugzeugs entschlossen in Richtung Erde neigt und die große, blaue, teuflische Welt auf ihn zurast, um ihn zu vernichten – und er hat Angst.
»Oh, Daddy«, sagt er und rückt das kleine rosa Blümchen im Knopfloch seines Vaters gerade.
»Wir brauchen bloß die Mäuler aufzumachen, und schon schwimmen die ganzen kleinen Fischchen hinein«, sagt Bunny und versucht unter großen Schwierigkeiten, sich aus dem Punto herauszuwinden. »Diesmal hab ich ein echt gutes Gefühl.«
Bunny Junior steigt aus, geht um den Wagen herum zur Fahrertür und hilft Bunny heraus, und sein Vater tanzt einen schlurfenden Twostep und bricht plötzlich ohne einen bestimmten Grund in lautes Gelächter aus. Tschumm – der Junge fällt vom Himmel.
Bunny geht die mit Ölflecken übersäte Betoneinfahrt hoch. Er schraubt den Flachmann mit dem Scotch auf, leert ihn und wirft ihn über die Schulter, und er landet irgendwo zwischen dem ganzen Müll auf dem überwucherten Hof. Bunny steigt die Stufen zu dem Bungalow mit den schmuddeligen Waschbetonwänden und den zerschlagenen Fensterscheiben hoch und klopft an die Tür.
»Miss Mary Armstrong?«, fragt Bunny und drückt die quietschende Tür ein Stück auf, aber niemand ist da. Bunny streicht über das Haarbüschel, das schlaff und verloren über einem Auge hängt, und verspürt einen unwiderstehlichen Drang hineinzugehen.
»Miss Mary Armstrong?«, ruft Bunny und tritt verstohlen über die Schwelle. »Ist jemand zu Hause?«
In dem verfallenen, alten Haus herrscht eine so intensive Atmosphäre von Elend und Grauen, dass Bunny sie wie Fäulnis auf der Zunge schmeckt, und er flüstert zu sich selbst: »Ich bin Vertreter für hochwertige Kosmetikprodukte«, und zieht die Tür hinter sich zu.
In der Küche ist es dunkel, die Rollos sind heruntergezogen, und ein saurer, tierischer Gestank liegt in der Luft. Der Kühlschrank steht auf und strahlt ein pulsierendes, gelbsüchtiges Licht aus. Im Inneren siecht eine einzelne Zitrone dahin, wie eine Warnung, und vor der Spüle liegt irgendein
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