Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Jeder hatte einen eigenen kleinen Garten mit
schattenspendendem Baum.
Der Duft nach chile verde wehte
mir entgegen, als ich den Wohnwagen meiner Mutter betrat. Sie saß mit ihrem
letzten Freund, Nick Carrillo, bei einem Glas Weißwein im Wohnzimmer. Ich holte
mir ebenfalls ein Glas und setzte mich zu ihnen.
»Und was gibt’s Neues bei Ihnen,
Elena?« erkundigte sich Nick. »Haben Sie immer noch keine Lust, mal ein bißchen
zu joggen?«
Er war ein großer, weißhaariger Mann
von achtundsiebzig Jahren, der jeden Tag mehrere Meilen joggte. Immer wieder
versuchte er, mich für diese Art der körperlichen Ertüchtigung zu
interessieren, aber es gelang ihm nicht.
»Ich hab Ihnen doch gesagt, ich bin ein
Mensch, der seine Bequemlichkeit liebt.«
»Aber bei der Universität waren Sie
doch im Schwimmteam.«
»Das ist was anderes. Im Schwimmen bin
ich gut.«
»Dann wären Sie auch im Laufen gut.«
Aber ich hatte keine Lust zu laufen.
Außerdem hätten Nick und ich dann keinen Unterhaltungsstoff mehr gehabt.
»Tut mir leid, Nick.«
»Ein bißchen Bewegung würde dir
wirklich guttun«, warf meine Mutter ein.
»Na, du mußt reden. Dir ist jede Art
von Sport verhaßt, und sieh dich an — dabei bist du ebenso schlank wie ich.«
Meine Mutter sah mit ihren
siebenundsechzig Jahren noch sehr jung aus, das Gesicht beinahe faltenlos, die
Figur schlank und beweglich.
»Ich spreche von deiner Gesundheit,
nicht von deiner Figur«, erklärte meine Mutter. »Du siehst heute müde aus.«
»Komm, Gabriela, laß deine Tochter in
Ruhe«, meinte Nick.
»Ich bin auch müde«, sagte ich und
trank einen Schluck Wein. »Im Museum — «
»Du brauchst erst mal was zu essen.«
Meine Mutter stand auf. »Geh, fülle deine Wäsche in die Maschine. Nick und ich
machen inzwischen den Salat.«
Ich ging zur Wäscherei im Freizeitzentrum
und stopfte meine Sachen in die Maschine. Als ich zum Wohnwagen zurückkam, war
der Tisch gedeckt, und meine Mutter verteilte das chile verde und den
Reis.
»Setz dich und iß«, befahl sie mir.
Beim Essen fragte Nick: »Macht Ihnen
dieser Frank immer noch das Leben schwer?«
»Das hört nie auf. Jetzt hat er mir
gerade wieder mal gedroht, mich rauszuwerfen und meinen Posten dem Kolumbier zu
geben.«
»Der ist doch ein ziemlicher Trottel,
nicht?«
»Stimmt. Es ist Frank auch nicht ernst —
glaube ich jedenfalls.«
Meine Mutter sah mich stirnrunzelnd an.
»Was hast du denn getan, daß Frank dir
gleich so kommen mußte?«
»Wieso ist es immer meine Schuld? Wieso muß ich unbedingt etwas getan haben?«
»Ich kenn dich doch.«
»Mama, das ist ungerecht.«
»Meine Damen, meine Damen«, sagte Nick.
»Na schön, vielleicht hast du recht.
Vielleicht hab ich Frank wirklich geärgert. Aber mit gutem Grund.«
»Was war denn nun?«
»Ich — äh — ich hab ihm gesagt, man
müßte ihn umbringen. Und ich hab ihn fürchterlich beschimpft. Vor allen anderen.«
Meine Mutter sah Nick triumphierend an.
»Siehst du?«
»Na ja«, meinte Nick in versöhnlichem
Ton, »er muß das aber auch irgendwie ausgelöst haben.«
»Das kann man wohl sagen.« Ich
berichtete in aller Ausführlichkeit von dem monströsen Lebensbaum.
Meine Mutter seufzte. »Ach Gott,
Isabel«, sagte sie. »Sie meint es immer so gut.« Mutter wußte es aus Erfahrung.
Sie hatte einmal für Isabel gearbeitet. »Die arme Seele.«
»Was heißt hier arme Seele?« rief ich.
»Sie hat Millionen.«
»Und sonst nichts.«
»Da hast du recht. Aber hättest du
deinen Ehemann vielleicht nicht rausgeschmissen, wenn du ihm draufgekommen
wärst, daß er dich mit einem fünfundzwanzigjährigen Fotomodell betrügt?«
»Sicher. Aber Doug Cunningham war schon
vorher keine tolle Partie. Isabel hätte sich viel besser verheiraten können.
Sie ist schließlich eine geborene Vallejo.«
Während der drei Dekaden mexikanischer
Herrschaft im vergangenen Jahrhundert hatte sich in Alta California ein neuer
Landadel herangebildet. Die Dons, Begründer solcher adeliger Geschlechter wie
des der Vallejos, waren alle spanischer Herkunft, meist Soldaten, die für treue
Dienste von der Regierung mit riesigen Weidegebieten belohnt worden waren. Auf
diesen Ländereien züchteten sie Pferde, Rinder und Schafe und bauten sich großartige
Landgüter auf. Der elegante Lebensstil der Ranchos ist in vielen Liedern und
Geschichten beschrieben und besungen worden. Ja, Isabel kam in der Tat aus
einer privilegierten Familie.
»Nein«, erklärte meine Mutter, »so
einen wie Douglas
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