Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Cunningham hätte Isabel nicht zu heiraten brauchen.«
Ich schenkte mir noch etwas Wein ein.
»Was? Meinst du, sie hätte keinen Anglo
heiraten sollen?«
Meine Mutter hielt nichts von
Mischehen, und immer, wenn ich mit einem Anglo ausging, hüllte sie sich in
ominöses Schweigen.
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Aber gemeint.«
»Meine Damen«, sagte Nick wieder.
»Vielleicht bist du der Meinung, sie
hätte einen Mann wie Frank de Palma heiraten sollen.«
Ich lachte bei der Vorstellung, wie die
stets tadellos frisierte und so geschmackvoll gekleidete Isabel versuchte, den
schlampigen Frank zu erziehen.
Das Gesicht meiner Mutter blieb jedoch
ernst.
»Ganz sicher nicht. So eine Ehe hätte
sie kaputtgemacht.«
»Wie meinst du das?«
»Du brauchst dir Frank doch nur
anzusehen. Er ist die lebende Verkörperung des Machismo. Er verlangt absoluten
Gehorsam von den Frauen seiner Familie. Er hätte den Lebensgeist einer Frau wie
Isabel vernichtet.«
»Aber Isabel wurde ebenfalls in dieser
Tradition erzogen. Du solltest mal erleben, wie sie sich Frank im Museum
unterwirft.«
»Ja, im Museum vielleicht. Ich spreche
von der häuslichen Sphäre, von der Familie. Ein Mann wie Frank hätte Isabel zum
Wahnsinn getrieben. Bei einem Anglo konnte sie wenigstens ihrem Zorn freien
Lauf lassen und sich von dem Mann trennen.«
»Warum gibst du mir dann eigentlich
immer durch die Blume zu verstehen, ich sollte einen Mann unserer Herkunft
heiraten? Glaubst du vielleicht, so einer wie Frank würde mich nicht verrückt
machen?«
»Es sind doch nicht alle unsere Männer
so. Frank ist wirklich ein Extrem. Wenn ich mir überlege, was er mit seiner
Frau gemacht hat...« In ihre Augen trat ein Ausdruck, als sähe sie in weite
Ferne. »Rosa Rivera — so hieß sie damals — war ein hinreißend hübsches Mädchen.
Mir ist heute noch schleierhaft, warum sie Frank geheiratet hat. Er war schon
damals immer die dreckigste Rotznase im Barrio. Und daran hat sich kaum etwas
geändert.«
»Tja, die Geschmäcker sind verschieden.
Oder — wo die Liebe hinfällt.«
Sie warf mir einen strengen Blick zu.
»Ja, darüber kann ich als deine Mutter
einiges sagen.«
»Hör mal, mein Geschmack ist nicht so
übel.«
»Ach was? Und wie war das mit diesem
Steve? Der, mit dem Motorrad?«
»Ja, gut, das war ein Irrtum.«
»Und Jim? Dieser behaarte Esau.«
»Der war doch gar nicht schlecht.«
»Nein.«
»Nein!«
»Ja, ja«, brummte sie, »ich weiß schon,
was dir an ihm gefallen hat.«
»Meine Damen!«
»Wenn du meinst, er war gut im — «
»Meine Damen!«
Wir sahen beide zu Nick.
»Genug.«
Schweigend wandten wir unsere
Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu.
Ein paar Minuten später stand Nick auf
und räumte ab, um für den Nachtisch Platz zu machen. Frisches Obst. Meine
Mutter aß leidenschaftlich gern Süßigkeiten, aber sie getraute sich nicht, sie
auf den Tisch zu bringen, wenn Nick, der Gesundheitsapostel, bei ihr war.
Nick schob sich ein paar Weintrauben in
den Mund, dann stand er auf.
»Ich würde gern noch bleiben«, sagte
er, »aber wir haben im Freizeitzentrum eine Besprechung für den Marathonlauf.«
»Marathon?« Ich sah von dem Apfel auf,
den ich gerade schnitt.
»Ja.« Seine Augen blitzten. »Wir alten
Knacker organisieren einen Marathonlauf — um den jungen Leuten mal zu zeigen,
wie man so was richtig macht.«
Ich verdrehte die Augen. »Das wird ja
immer wilder.«
»Wir sind eben unternehmungslustig.
Danke für das Essen, Gabriela. Vielleicht komm ich später wieder her.«
»Ja, tu das, Nick.«
Nachdem er gegangen war, saßen meine
Mutter und ich eine Weile schweigend da. Schließlich sagte sie: »Mußt du
wirklich um deine Stellung Angst haben, Elena?«
Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.
Manchmal hab ich sowieso das Gefühl, ich würde am liebsten den ganzen Kram
hinschmeißen. Dieser tägliche Kleinkrieg geht mir unter die Haut.«
»Aber was würdest du dann tun?«
»Ich weiß es nicht. Ich müßte sicher
von hier weg, denn auf meinem Gebiet gibt’s in Santa Barbara nicht viele
Möglichkeiten. Aber ich will nicht weg von hier.«
»Hast du denn gar keinen
Unternehmungsgeist?«
»Nein, wohl nicht. Mir gefällt es hier.
Ich fühle mich wohl in unserem alten Haus.«
Sie sah mich mit einem liebevollen
Lächeln an.
»Ihr beiden seid so richtige
Nesthocker. Ich glaube, Carlota wäre auch nicht von hier weggegangen, wenn sich
auch nur die kleinste Chance für eine Anstellung geboten hätte.«
»Nein,
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