Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
an. Trinken Sie einen Schluck Brandy.«
Das klang verlockend. Ich folgte ihm in
sein Büro. Es wirkte wirklich gemütlich, hell und warm, die Vorhänge zugezogen,
so daß man vom Nebel nichts sah. Der Schreibtisch war voller Papiere.
»Ich wußte nicht einmal, daß Sie hier
sind«, sagte ich und ließ mich in einem seiner bequemen Sessel nieder. »Was
arbeiten Sie da?«
Er nahm einen Plastikbecher aus seiner
Schreibtischschublade und füllte ihn mit Brandy. Seinen geröteten Wangen nach,
hatte er selbst dem Alkohol auch schon kräftig zugesprochen.
»Ach, das sind die Bücher, was sonst.
Ich dachte mir, daß der Verwaltungsrat sie wahrscheinlich durchsehen möchte,
jetzt, wo Frank...« Er reichte mir den Becher. »Ich wollte sie auf jeden Fall
aufs laufende bringen. Durch die Vorbereitungen für die Eröffnung war ich mit
meiner Arbeit ein bißchen hinterher.«
»Das ging uns doch allen so.«
Ich trank von dem Brandy und genoß die
Wärme, die sich in mir ausbreitete.
Vic fing an, die Bücher einzusammeln.
»Ich bin zu Ihnen hinübergekommen, weil ich vermeiden wollte, daß Sie vor mir
gehen. Denn ich hätte ja die Alarmanlage nicht wieder einschalten können.« Er
ging zu dem kleinen Wandsafe, öffnete es und legte die Bücher und Papiere
hinein.
»Warum tun Sie das?« fragte ich.
»Was?«
»Warum sperren Sie die Unterlagen ein?
Es sind doch nur Papiere.«
»Das stimmt schon, aber sie müssen an
einem feuersicheren Ort aufbewahrt werden.«
Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück
und setzte sich. Sein Gesicht wirkte noch melancholischer als sonst.
»Er wird Ihnen fehlen, nicht wahr«, sagte
ich.
»Ja. Wir waren lange zusammen, beinahe
zwanzig Jahre. Wenn ich im Leben überhaupt einen Freund hatte, dann war es
Frank.«Vic mußte meinen skeptischen Blick bemerkt haben, denn er fügte hinzu:
»Ich weiß, Sie glauben nicht, daß Frank überhaupt zur Freundschaft fähig war.
In gewisser Hinsicht haben Sie recht. Aber wir haben schöne Zeiten zusammen
verlebt. Verdammt schöne Zeiten.«
»Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
»Bei der Hernandez-Stiftung.« Das war
eine Organisation, die spanisch-amerikanische Kulturprojekte mit Spenden zu
unterstützen pflegte. »Frank war dort Geschäftsführer. Das war ein guter Posten
für einen Jungen, der gerade das College hinter sich hatte. Er stellte mich als
Buchhalter ein. Wir sind im ganzen Staat herumgereist und haben die Projekte
geprüft, die für eine finanzielle Unterstützung in Frage kamen. Ich hatte
damals so einen klapprigen alten Lincoln Continental. Mann, was konnten wir da
fahren! An einem Tag von San Diego über Bakersfield nach San Francisco. Tja,
das waren Zeiten.« Sein Blick verdüsterte sich. »Aber ich brauchte auch etwas,
um mich von meiner Tochter abzulenken.«
Ich hörte das erstemal von einer
Tochter.
»Warum?«
»Sie war krank. Eine selten vorkommende
Nierenkrankheit. Sie...« Er drückte eine Hand auf die Augen. »Ich möchte nicht
darüber sprechen.«
Das bedeutete wahrscheinlich, daß das
Kind gestorben war.
»Und als Frank bei der Hernandez-Stiftung
aufhörte, gingen Sie mit ihm?«
»Ja. Er eröffnete damals die Galerie in
der Altstadt. Er war wirklich ein Kenner, wissen Sie. Und er hatte einen
Riecher für die Orte, wo gute Kunst zu finden war. Wir brachten die Sachen
damals aus Südamerika und Mexiko herauf. Er wußte genau, bei wem er kaufte, und
er war ein knochenharter Geschäftsmann. Das war alles vor den Ausfuhrbeschränkungen.«
In den letzten Jahren ist den Staaten
südlich der Grenze allmählich klargeworden, daß die Kunstschätze ihrer Länder
nicht unerschöpflich sind, und sie haben deshalb Ausfuhrbeschränkungen
eingeführt. In Mexiko ist es beispielsweise so, daß Gegenstände, die einen Wert
von mehr als fünftausend Dollar haben, ohne staatliche Genehmigung nicht aus
dem Land ausgeführt werden dürfen. Anfangs basierten diese Beschränkungen mehr
auf einem stillschweigenden Übereinkommen zwischen den Ländern, doch inzwischen
beginnt man in vielen Staaten, sie gesetzlich zu verankern. Ich fand das gut,
obwohl es den Erwerb von Kunstwerken erschwerte.
»Ging die Galerie eigentlich gut?«
fragte ich. Ich wußte, daß sie klein, aber ausgesprochen chic gewesen war.
Vic nickte.
»Warum hat Frank sie dann aufgegeben?«
»Um dieses Museum zu gründen
natürlich.«
Ganz so war es nicht gewesen. Carlos
Bautista und mehrere seiner reichen Freunde hatten die Idee ausgebrütet und
Frank angeheuert, sie in die
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