Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
gestern am frühen Abend getötet wurde, möglicherweise sogar schon um
siebzehn Uhr dreißig.«
»Oh.« Mir wurde einiges auf unangenehme
Weise klar. Das Schweigen zog sich in die Länge.
Schließlich sagte ich: »Er sagte mir
gestern abend, er wolle noch am Wirtschaftsplan arbeiten. Aber das tat er nie.
Das war Vics Aufgabe. Vielleicht sagte er es nur, um mich loszuwerden.
Vielleicht wollte er sich hier mit jemandem treffen und mich aus dem Weg haben.
Vielleicht ließ er diese Person selbst herein, und sie tötete ihn.«
Kirk betrachtete mich gedankenvoll.
»Er könnte ganz leicht jemanden hereingelassen
haben«, fügte ich hinzu. »Er brauchte nur den Kippschalter zu drücken, um die
Alarmanlage auszuschalten.«
Wieder blätterte Kirk in seinem Block.
»Ich lese aus Ihrer früheren Aussage,
Miss Oliverez. ›Als ich heute morgen kam, war die Alarmanlage eingeschaltet.
Alles wirkte ganz normal. Als ich an Franks Büro vorbeikam, sah ich seine
Schlüssel am Haken und dachte mir, daß er vor mir gekommen sei. Ich wollte ihn
aber nicht stören und machte mich an meine Arbeit. Die anderen kamen ungefähr
zwanzig Minuten später.‹«
»Können Sie Kurzschrift?« fragte ich,
doch in meinem Hirn rasten die Gedanken.
Er ließ meine Frage unbeachtet.
»Er muß also gestern abend jemanden
hereingelassen und dann die Anlage wieder eingeschaltet haben«, sagte ich. »Und
diese Person tötete ihn und...«
»Und was?«
Ja, was? Ohne den Schlüssel, um die
Alarmanlage von außen wieder einzuschalten, hätte niemand gehen können; denn
die Anlage war ja in Betrieb gewesen, als ich am Morgen gekommen war.
»Was tat diese Person, nachdem sie Mr.
de Palma getötet hatte?« fragte Kirk.
»Nun, sie — sie hätte — Natürlich!« Sie
könnte sich im Museum versteckt haben, bis ich heute morgen kam, und sich dann
hinausgeschlichen haben.«
»Hätten Sie oder Mr. Leary oder Mrs.
Cunningham und ihre Ehrenamtlichen es nicht bemerkt, wenn jemand sich
hinausgeschlichen hätte?«
»Nicht unbedingt.« Ich starrte auf
meine Hände. Sie waren so fest ineinandergekrampft, daß die Knöchel weiß
hervortraten. Ich schloß die Augen und sah mit erschreckender Deutlichkeit den
Schalter der Alarmanlage vor mir, wie er am Morgen gewesen war, als ich
aufgesperrt hatte.
»Miss Oliverez?«
»Es muß aber jemand aus dem Museum
hinausgegangen sein. Und zwar in dem Zeitraum, nachdem ich am Abend die Anlage
eingestellt hatte und bevor ich heute morgen wieder aufsperrte.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Als ich gestern abend ging, war das
Schloß der Anlage in Abwärtsposition. Heute morgen war es aufwärts gedreht. Das
heißt, daß jemand durch eine der anderen beiden Türen — bei der Laderampe und
zu Franks Innenhof — hinausgegangen ist und die Anlage wieder einschaltete.«
»Wie, Miss Oliverez?«
Ich überlegte angestrengt.
»Wie kann das jemand zustande gebracht
haben, wenn Sie, wie Sie selbst sagten, den Schlüssel hatten und der einzige
andere existierende Schlüssel heute morgen bei Ihrer Ankunft im Inneren des
Museums war?«
»Vielleicht — vielleicht hat sich
jemand hereingeschlichen und Franks Schlüssel wieder an den Haken gehängt,
nachdem ich aufgemacht hatte.«
»Ach, jetzt schleicht zur Abwechslung
mal jemand hinein. Aber ist das wirklich möglich, Miss Oliverez?«
»Nein. Ich war ja direkt zu Franks Büro
gegangen und hatte die Schlüssel gesehen. Keiner konnte vor mir dagewesen sein.«
»Mit anderen Worten«, folgerte Kirk,
»die einzige Person, die die Anlage eingeschaltet haben kann, sind Sie. Wir
haben nur Ihre Aussage, daß das Schloß heute morgen in einer anderen Position
war. Und gerade Sie haben gestern noch Mr. de Palma gedroht, ihn umzubringen.«
»Das ist nicht wahr! Ich habe ihm nicht
gedroht.«
»Wie würden Sie es denn nennen?«
»Ich — ich war wütend... Ich meinte es
nicht — «
»Sie scheinen mir eine intelligente
Frau zu sein, Miss Oliverez. Wenn Sie sich nach den Fakten, die mir vorliegen,
ein Urteil bilden müßten, was würden Sie denken?«
»Ich — weiß nicht.«
»Dann werde ich es Ihnen sagen.« Kirk
stand auf und neigte sich über den Schreibtisch zu mir. Seine Stimme war leise
und ruhig. »Diese Fakten lassen stark vermuten, daß Sie Frank de Palma getötet
haben.«
6
Elf Uhr am selben Abend. Ich lag über
meinen Schreibtisch gebeugt, den Kopf auf die Arme gestützt, wie ein Kind in
der Schulpause. Der Tag war zermürbend gewesen, und die kommenden
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