Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Jesse behauptet, sie verwandeln sich — « Wieso machte ich
mir überhaupt die Mühe, ihm das alles zu erklären? Wahrscheinlich, um das
unvermeidliche Verhör hinauszuschieben. »Lieutenant, warum wollten Sie mich
sprechen?«
»Ich habe weitere Fragen, Miss
Oliverez. Daraus besteht die Arbeit der Polizei nun mal zum größten Teil — aus
Fragen. Und Lauferei. Der Glanz und der Ruhm, die im Fernsehen gezeigt werden,
fehlen.«
»Ehe Sie anfangen, würde ich Ihnen gern
ein paar Dinge berichten, die ich entdeckt habe.«
Über die Schwindelgeschäfte konnte ich
nichts sagen, aber ich konnte ihm meine anderen Entdeckungen mitteilen. »Sehr
gut.«
Er schob seinen Drehsessel vom
Schreibtisch weg und kippte ihn nach rückwärts. Die Reaktion ärgerte mich; sie
vermittelte mir den Eindruck, daß er schon jetzt zu wissen meinte, das, was ich
zu berichten hatte, sei es nicht wert, auf dem verdammten gelben Block notiert
zu werden.
»Wußten Sie, daß Frank de Palma
Beziehungen zu einer anderen Frau hatte?« fragte ich.
»Zu wem?«
»Das weiß ich nicht. Es ist Vic Leary
versehentlich herausgerutscht. Er würde es Ihnen wahrscheinlich sagen.«
»Ich werd’ mich darum kümmern.«
»Und Jesse Herrera hatte eine weit
schlimmere Auseinandersetzung mit Frank als ich. Er schlug Frank sogar ein
blaues Auge.«
»Wann war das?«
»Vor zwei Monaten ungefähr.«
»Worum ging es bei dem Streit?«
»Um Franks Nichte, Maria de la Cruz.«
»Ah ja, die Sekretärin. Ich kümmere mich
darum.«
»Und Maria selber wurde zu den de
Palmas verfrachtet, weil -« Ich zögerte. Es war Maria gegenüber unfair, ihre
wahllosen Männerbeziehungen zur Sprache zu bringen. »- weil sie mit ihrer
Familie nicht auskam. Frank war sehr streng mit ihr. Sie haßte ihn und scheint
froh zu sein, daß er tot ist.«
»Ich habe den Eindruck, daß eine ganze
Menge Leute über seinen Tod froh sind.«
»Aber durch seinen Tod wird für Maria
der Weg frei, Jesse zu heiraten.«
»Schön, ich werd’ mich auch darum
kümmern. Sonst noch etwas?«
Er hatte mir diesmal nicht aufmerksamer
zugehört als sonst.
»Nein, nichts mehr.«
»Gut.« Er setzte sich gerade und griff
zum Stift. »Ich möchte mit Ihnen noch einmal Ihre Aktivitäten am Nachmittag des
Todestages von Mr. de Palma durchgehen. Fangen wir da an, wo Sie zu ihm ins
Büro gingen und fragten, ob Sie die Alarmanlage einschalten sollten.«
Seufzend begann ich. Kirk machte sich
nickend Notizen. »Und jetzt«, sagte er, als ich fertig war, »wollen wir uns
noch einmal über Ihre Beziehungen zu Mr. de Palma und den anderen Mitarbeitern
unterhalten. Fangen Sie bei Ihrem Abgang von der Universität an. Wann war das?«
»Vor fünf Jahren.« Ich erzählte von
meiner Stellungssuche, wie ich den Posten beim Museum bekommen hatte, von
meinen ersten Arbeitsmonaten dort. Hin und wieder stellte Kirk eine Frage.
»Wie war das damals, als Sie wegen der
Ramirez-Sammlung über Mr. de Palmas Kopf hinweg zum Verwaltungsrat gegangen
sind? Warum taten Sie das?«
»Wir hatten die Gelegenheit, eine sehr
schöne Sammlung zapotekischer Begräbnisurnen zu erwerben, aber Frank wollte das
Geld lieber in einem neuen Teppichboden anlegen.«
»Hat der Verwaltungsrat Sie bestätigt?«
»Ja.«
»Und Mr. de Palmas Reaktion?«
»Er war wütend.«
»Aha. Berichten Sie weiter.«
Und später: »Wie kamen Sie mit Mr.
Leary aus?«
»Sehr gut. Er war wie ein Vater zu
mir.« Im Licht meiner jüngsten Entdeckung klangen mir die Worte falsch in den
Ohren.
»Ach?«
»Vic ist allen Mitarbeitern gegenüber
sehr lieb.«
»Einschließlich Mr. de Palma?«
»Vic war ihm sehr zugetan. Frank
brauchte nur zu niesen, und schon rannte Vic los und besorgte Vitamin-C-Tabletten.«
»Fanden Sie eine solche Ergebenheit
nicht übertrieben?«
»Nein, eigentlich nicht. Vic ist ein
einsamer Mann. Er braucht jemanden, um den er sich kümmern kann.«
»Und Sie sagen, zu Ihnen war er wie ein
Vater.«
»Ja.«
»Warum ›war‹ und nicht ›ist‹, Miss
Oliverez?«
Aber das konnte ich ihm nicht sagen.
»Wie verstehen Sie sich mit Mrs.
Cunningham, der Frau, die den Konflikt mit ihrem Geschenk erst heraufbeschwor?«
»Sehr gut. Sie tut unglaublich viel für
das Museum. Ich weiß nicht, was wir ohne sie anfingen.«
»Keine Streitigkeiten?«
»Lieutenant Kirk, ich bin kein
streitsüchtiger Mensch.« Aber der Ton meiner Stimme klang angriffslustig.
»Ist Mrs. Cunningham mit Frank de Palma
gut ausgekommen?«
»Mit Frank kam niemand gut aus.
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