Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Gesprächen rund herum zu. Die
meisten Leute waren Touristen, die sich über Besichtigungen und Ausflüge
unterhielten.
Ich sah geistesabwesend zu der Galerie
auf der anderen Seite des Platzes hinüber. Sie war geschlossen, die
Schaufenster jedoch erleuchtet. Sie war mehr touristisch orientiert als Gloria
Sanchez’ Galerie, und ihre Scheinwerfer strahlten Lebensbäume aus Keramik an,
die zwar geschmackvoller waren als Isabels Geschenk, aber mir immer noch zu
bunt.
In Gedanken ging ich noch einmal das
Gespräch mit Lieutenant Kirk durch. »Gehirnblutung... Fingerabdrücke... aller
Mitarbeiter... Keramik und Terrakotta.«
Ich versuchte, die Gedankenfetzen zu
verscheuchen. Ich hatte das alles so satt, Kirk, das ständige Nachdenken über
Franks Ermordung und die Schwindelgeschäfte, die er und seine Mafia gemacht
hatten, und vor allem hatte ich es satt, mir darüber den Kopf zu zerbrechen,
wie es dem Mörder gelungen war, das Museum zu verlassen und die Alarmanlage
wieder einzuschalten, obwohl er keinen Schlüssel gehabt hatte. Ich wollte das
alles wenigstens eine Weile vergessen.
»Keramik und Terrakotta...«
Ich schlug auf den Tisch, daß beinahe
das Weinglas umgefallen wäre. Jetzt wußte ich, warum ich an dem Morgen, als ich
Frank im Volkskunstsaal gefunden hatte, das Gefühl gehabt hatte, daß etwas
nicht stimmte. Der kleine Todesbaum aus Terrakotta war nicht mehr dagewesen.
Árbol de la muerte. Ein passender Name für einen
Gegenstand, der vielleicht als Mordwaffe gedient hatte.
Woher sonst konnten die
Terrakotta-Scherben stammen? Nicht von dem Lebensbaum; der war aus Keramik
gewesen. Der kleinere Terrakotta-Baum mußte ebenfalls in die Brüche gegangen
oder zumindest stark beschädigt worden sein, als er Franks Schädel zertrümmert
hatte. Er war schwer gewesen, aber nicht so schwer, daß nicht ein kräftiger
Mensch ihn nehmen, in die Höhe schwingen und... Mir graute bei der Vorstellung.
Und wo war der Todesbaum jetzt? Der
Mörder mußte ihn weggeschafft haben. Aber vielleicht hatte er ihn gar nicht
weit weggebracht. Er mußte schwer und umständlich zu befördern gewesen sein. Wo
konnte er ihn versteckt haben? Im Keller des Museums, bei den anderen
Kunstgegenständen?
Ohne meinen Wein ausgetrunken zu haben,
stand ich auf und schob eine Fünfdollarnote unter den Aschenbecher. Dann
flitzte ich zu meinem Wagen in der Anacapa Street. Ich fuhr zum Museum und
wollte den Wagen eben vor dem Haus abstellen, als mir einfiel, daß er meine
Anwesenheit im Museum verraten würde. Langsam fuhr ich ums Haus herum zum
Parkplatz und hielt im Schatten der Laderampe an.
Am unauffälligsten war es, wenn ich
durch den Hof hinter Franks Büro hineinging. Ich sperrte das Vorhängeschloß am
Tor auf, ging durch, sperrte wieder ab. Rasch huschte ich den schmalen Weg
entlang, dann über den Hof zu Franks Büro. Alles war dunkel und still. Flüchtig
fiel mir Isabels Warnung ein, vorsichtig zu sein. Unsinn. Um Viertel nach drei,
als ich alle nach Hause geschickt hatte und zu meinem Termin bei Kirk gefahren
war, hatte ich die Alarmanlage eingeschaltet. Sie war immer noch eingeschaltet.
Ich brauchte drinnen nichts zu fürchten.
Ich machte nur so viel Licht, wie ich
unbedingt brauchte, um mich zurechtzufinden, und lief durch den Bürotrakt zum
Keller. Die Taschenlampe lag noch da, wo ich sie gelassen hatte. Ich bahnte mir
zwischen Kartonstapeln hindurch einen Weg zum anderen Ende des Raumes. Ich
hielt es für naheliegend, daß der Mörder die Waffe dort versteckt hatte, in dem
Wirrwarr, wo die Kartons mit den gestohlenen Kunstschätzen gestapelt waren.
Aber die gestohlenen Gegenstände waren
nicht mehr da.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen,
leuchtete den Raum mit der Taschenlampe ab. Nichts. Nur ein paar Spuren im
Staub.
Hinter mir raschelte etwas.
Ich erstarrte. Stille. Einbildung,
dachte ich und kniete nieder, um mir die Spuren im Staub genauer anzusehen.
Es raschelte wieder. Näher diesmal. Es
klang, als glitten nackte Füße über den Betonboden.
Ich fuhr hoch und leuchtete mit der
Taschenlampe nach hinten. Nichts. Ich hielt den Atem an. Kaum wahrnehmbare
Geräusche, als äffte jemand meine Reaktionen nach. Ich ging zum nächsten Stapel
Kartons, entschlossen, denjenigen zu stellen, der sich dahinter versteckte.
Eine dunkle Gestalt stürzte sich auf
mich, schlug mir die Taschenlampe aus der Hand. Der erhobene Arm sauste zu
meinem Kopf herunter..,
11
Das erste, was ich fühlte, war ein
stechender Schmerz in den
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