Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Sie
stieß die Tür auf.
Ich sank in den Sitz. Als ich mich der
Frau zuwandte, sah sie mich erschreckt an.
»Mein Gott, Sie sind ja verletzt. Und
ich hab’ Sie auch noch angeschrien. Ist es schlimm?«
Vor so viel freundlicher Teilnahme wäre
ich beinahe in Tränen ausgebrochen. Ich mußte einen Moment warten, ehe ich
sprechen konnte.
»Ich fühl’ mich ganz fürchterlich, aber
ich glaube nicht, daß ich schwere Verletzungen habe.«
»Aussehen tun Sie jedenfalls zum
Erbarmen.«
Sie klappte die Sonnenblende über mir
herunter, und ich sah in den Spiegel. Mein Gesicht war voller Schrammen, und meine
Bluse war zerrissen.
»Kein Wunder, daß es der LKW-Fahrer mit
der Angst bekam«, sagte ich.
»Wer?«
»Ein LKW-Fahrer. Er hielt an, als ich
winkte, aber nachdem er mich etwas deutlicher gesehen hatte, zischte er
schleunigst wieder ab.«
»Wahrscheinlich hatte er Angst, man
könnte ihm das in die Schuhe schieben. Ich sollte Sie in ein Krankenhaus
fahren.«
»Nein!«
Sie sah mich nur an.
»Wirklich, es ist schon in Ordnung.«
Wenn sie mich in ein Krankenhaus
brachte, würde ich Erklärungen geben müssen. Man würde die Polizei anrufen. Ich
würde aufgehalten werden. Ich überlegte hastig.
»Meine Mutter wohnt in Goleta, in dem
großen Wohnwagenpark gleich beim Strand. Könnten Sie mich dort absetzen?«
Die Frau war sichtlich erleichtert.
»Gem. Sie müssen mich nur lotsen.«
Sie stellte keine Fragen mehr, während
wir auf der Landstraße nach Süden und dann durch die dunklen Straßen von Goleta
fuhren. Am Tor zum Wohnwagenpark wünschte sie mir viel Glück.
Ich lief über den Rasen vor dem
Freizeitzentrum zum Wohnwagen meiner Mutter. Alle Fenster waren dunkel. Kein
Wunder, morgens um halb drei. Ich klopfte leise; meine Mutter hatte einen
leichten Schlaf.
Gleich darauf stand sie im Nachthemd an
der Tür, hinter ihr Nick in einem scheußlichen Morgenrock. Ich war so froh, die
beiden zu sehen, daß ich nicht einmal eine scherzhafte Bemerkung machte.
»Guter Gott, Kind!« rief meine Mutter.
»Was ist denn passiert?«
Ich begann prompt zu weinen. Sie nahm
mich in den Arm und führte mich in den Wohnraum. Nick machte Licht. Meine
Mutter drückte mich ins Sofa.
»Ach, wie du aussiehst.« Sie berührte
vorsichtig meine aufgeschrammte Stirn. »Erst dieser schreckliche Mord und jetzt
das. Ich wußte doch, daß ich mich auf mein Gefühl verlassen kann. Nick, hol
doch mal die Hausapotheke.«
»Mama, es ist nicht so schlimm.« Ich
nahm ein Papiertuch aus der Tasche und schneuzte mich. »Ich muß ins Museum.«
»Um diese Zeit? Kommt nicht in Frage.«
»Mama — «
Nick kam mit der Hausapotheke, und
meine Mutter fing an, darin herumzukramen.
»Hat Franks Mörder etwa versucht, Sie
auch noch umzubringen?« fragte Nick.
»Ich glaube ja.«
»Sie glauben?«
»Ich hab nicht gesehen, wer es war. Es
war dunkel.«
Meine Mutter holte einen Waschlappen
und tupfte mir das Gesicht ab. Während sie mich verarztete, erzählte ich den
beiden alles — auch das von den Schwindelgeschäften.
»Sie sollten sofort zur Polizei gehen«,
meinte Nick.
»Aber ich kann nichts von den
Unterschlagungen sagen. Jetzt noch nicht.«
»Kannst du nicht einfach sagen, du
hättest im Keller nach dem árbol de la muerte gesucht?« meinte meine
Mutter. »Wenn du es ihnen gleich sagst, können sie den Kerl vielleicht finden,
der dich niedergeschlagen hat. Vielleicht ist er auf der Landstraße jemandem
aufgefallen.«
»Ihr habt recht. Ich rede mit Kirk. Und
nach der Eröffnung unterrichte ich Carlos und ihn von den Unterschlagungen.
Aber jetzt muß ich sofort ins Museum, sonst bringt der Mörder das ganze
Beweismaterial aus dem Haus.«
»Wann, sagten Sie, hatten Sie den
Zusammenstoß mit ihm?« fragte Nick.
»Gegen zehn.«
»Dann ist er jetzt bestimmt nicht mehr da.
Es ist Viertel vor drei.«
Da hatte er wahrscheinlich recht. Der
Mörder hatte die Sachen sicher längst aus dem Haus gebracht.
»Außerdem«, fügte meine Mutter hinzu,
»solltest du mit dieser Wunde am Kopf zum Arzt gehen.«
»Ich brauch’ keinen Arzt, Mama.« Ich
haßte Arztbesuche.
»So eigensinnig wie früher.« Sie strich
mein Haar zurück und besah sich die Beule näher. »Vielleicht hast du eine
Gehirnerschütterung?«
»Aber bestimmt keinen bleibenden
Schaden.«
»Ach, Elena!«
»Bitte, Mama, ich möchte nur nach Hause
in mein Bett.«
»Das kommt nun wirklich nicht in Frage.
Du schläfst hier. Das Sofa kann man ausziehen — «
»Aber — «
»Was ist mit
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