Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Ihrem Wagen?« fragte Nick.
Natürlich! »Da muß ich warten, bis die
Tankstellen aufmachen.«
»Das kann ich erledigen. Geben Sie mir
den Schlüssel. Die Tankstelle gleich an der Ecke macht um sechs auf. Ich laß
mich von einem meiner alten Kumpel hinfahren und bring den Wagen zurück. Dann
haben Sie ihn, wenn Sie aufwachen.«
»Das ist doch lächerlich. Sie sollen
nicht meinetwegen morgens um sechs durch die Gegend fahren.«
»Laß nur«, mischte sich meine Mutter
ein. »Er und seine Kumpel gehen sowieso immer schon um halb sechs zum Joggen.«
Ich verdrehte die Augen. »Gut, ich
sehe, ich bin überstimmt.«
»Richtig«, sagte Nick. »Hören Sie nur
auf Ihre Mutter.«
12
Als ich gegen acht erwachte, hatte ich
immer noch Kopfschmerzen. Mein Wagen stand draußen. Meine Mutter machte
Pfannkuchen, aber ich konnte nichts essen. Ausnahmsweise hielt sie mir keinen
Vortrag über die Notwendigkeit eines kräftigen Frühstücks.
Als ich mir im Badezimmer das Haar
bürstete, kam sie herein und sagte: »Du gehst doch direkt zur Polizei?«
»Ja.«
»Mit der Bluse kannst du aber unmöglich
gehen.«
Ich sah an mir herunter. Die Bluse war
an mehreren Stellen zerrissen.
»Ich hol’ dir eine von mir«, sagte sie.
»Nur als Provisorium.«
Die Bluse war mir ein paar Nummern zu
groß. Sie erinnerte mich an meine Uniformbluse in der katholischen
Mädchenschule. Fehlte nur noch mein Name eingestickt auf der Brusttasche.
Um Viertel vor neun fuhr ich los. Da
Personal und Freiwillige wahrscheinlich schon vor dem Museum warteten, um
eingelassen zu werden und die Vorbereitungen für die Eröffnungsfeier zu
treffen, beschloß ich, zuerst dort vorbeizufahren. Wenn einer von ihnen den
zweiten Schlüssel hatte, würde er ihn bestimmt nicht herausziehen und
aufsperren.
Vic, Maria, Isabel und drei Freiwillige
standen an der Haupttür und sahen sich besorgt um. Als ich mich näherte,
starrten sie mich und mein verpflastertes Gesicht mit unterschiedlichen Graden
von Bestürzung an. Ich versuchte, auf ihre Reaktion zu achten, um zu sehen, ob
jemand Erschrecken zeigte, mich noch am Leben zu sehen. Aber sie machten alle
einen ziemlich verdutzten Eindruck, so daß ich keinerlei Schlüsse ziehen
konnte.
»Elena, qué pasa? « rief Maria.
»Bitte keine Fragen jetzt. Wir haben
heute viel zu tun. Weiß jeder, wofür er zuständig ist?«
Bejahendes Gemurmel. Ich sperrte auf.
»Gut. Ich habe heute morgen noch
außerhalb des Museums einiges zu erledigen, aber ich bin am frühen Nachmittag
zurück. Wir halten um vier noch einmal eine Besprechung, um letzte Fragen zu
klären. — Isabel, würden Sie während meiner Abwesenheit das Kommando
übernehmen?«
Sie nickte, während ihr Blick voller
Besorgnis auf meinem Gesicht ruhte.
Ich machte einen raschen Rundgang durch
die Ausstellungsräume. Gott sei Dank, alles war in Ordnung. Beruhigt fuhr ich
nach Hause, um mich umzuziehen.
Aber was, dachte ich plötzlich, wenn
Kirk, auch nachdem er meine Geschichte gehört hatte, von meiner Schuld
überzeugt blieb? Konnte man aufgrund so dünnen Beweismaterials wie er es hatte,
verhaftet werden? Vor Gericht gestellt und womöglich verurteilt werden?
Unsinn, Elena, sagte ich mir. Wenn er
von deinen gestrigen Erlebnissen hört, wird ihm endlich klarwerden, daß du von
Anfang an die Wahrheit gesagt hast.
Oder nicht?
Ich schlüpfte in eine verblichene Jeans
und ein Baumwollhemd, ging ins Bad, nahm eine Tablette gegen die Kopfschmerzen
und zog dann die Heftpflaster von meinem Gesicht, um die Verletzungen zu
begutachten. Die Schrammen waren eigentlich ziemlich klein und würden ohne die
Pflaster kaum Aufmerksamkeit erregen. Und genau Aufmerksamkeit — Fragen, was
passiert sei — wollte ich vermeiden. Ich wusch mir das Gesicht, schminkte mich
neu und fuhr dann zur Polizei.
Kirk saß in seinem Kabäuschen, als
hätte er sich seit dem gestrigen Nachmittag nicht von der Stelle gerührt. Wenn
er überrascht war, mich zu sehen, so zeigte er es nicht.
»Guten Morgen, Miss Oliverez. Nehmen
Sie Platz.«
Ich setzte mich in denselben Sessel, in
dem ich am Vortag schon so lange gesessen hatte.
»Hatten Sie einen Unfall?« Er deutete
auf die Schrammen in meinem Gesicht.
»Nicht direkt. Ich komme gleich darauf.
Ich habe Ihnen einiges zu berichten.«
»Bitte.« So lässig und desinteressiert
wie am Vortag lehnte er sich in seinem Sessel zurück.
»Ich weiß jetzt, wer Frank de Palmas
Freundin war. Gloria Sánchez, die Frau, die La Galería von ihm
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