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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Freund
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meist um das, was sie gerade in der Hand hielten „Pullover“, „Krawatte“ (David lernte damit ein neues Vokabel, den deutschen Ausdruck für „tie“ kannte er nicht) – und weil soeben eine laute Gruppe von jungen Leuten beim Eingang hereinkam, von denen zwei mit schwedischen Fahnen drapiert waren, schwenkte die Unterhaltung sofort auf das Thema Marathon um. Haider erwähnte etwas von Apfelstrudel und die anderen schienen dem begeistert zuzustimmen. David wusste natürlich, was sich dahinter versteckte, seine Großmutter hatte immer wieder diese köstliche österreichische Spezialität aufgetischt, wenn er zu Besuch kam. Aber was wollten sie damit sagen: Dass sie nach dem Marathon einen Apfelstrudel essen wollten, war ja nicht auszuschließen, doch wie viele Lokale in New York würden so eine Mehlspeise servieren? Da fiel ihm ein, dass er vor einiger Zeit in der „New York Times“ einen Artikel über ein Lokal namens „Apfelstrudel“ gelesen hatte – David machte sich gedanklich eine Notiz, im Hotel auf dem Laptop „Apfelstrudel“ zu googeln. Wenn er herausfinden konnte, wo sie sich nach dem Rennen hinbegäben, würde das seine Arbeit um vieles erleichtern.
    Inzwischen hatte sich die Gruppe vor der Kasse eingefunden, jeder der drei Männer hatte ein paar Kleidungsstücke in der Hand. David wusste im Moment nicht, wie er weitermachen sollte. Er sah kaum einen Sinn darin, wie ein Spion hinter der Gruppe durch die Straßen von New York zu ziehen, sich hinter jeder Ecke zu verstecken, um dann am Ende seinen Plan, der ja für den nächsten Tag vorgesehen war, ohnehin nicht umzusetzen. Doch aus den Augen verlieren wollte er sie auch nicht. Als sie Bloomingdale’s verließen, ging er in einigem Respektabstand hinter ihnen her. Nach ein paar Häuserblöcken war ihm klar, dass sie keine Ahnung hatten, wo sie hinwollten. Immer wieder sahen sie auf einen Plan, den einer der drei in der Hand hielt, verglichen die Angaben mit der Straßenbezeichnung, schüttelten den Kopf und entschlossen sich dann, dorthin abzubiegen, wo sie gerade hergekommen waren. David war schon knapp dran, einfach auf sie zuzugehen und sie zu fragen, ob sie Hilfe bräuchten, aber das erschien ihm dann doch als zu großes Wagnis. Nach etwa einer Stunde, in der er mehr von der Upper East Side sah, als er je vorgehabt hatte, waren sie offenbar am Ziel: Das Hotel Lancaster war ihr Nachtquartier, sie verschwanden alle drei hinter der Drehtür. David beobachtete durch die großen Glasscheiben, wie sie sich die Schlüssel geben ließen und im Aufzug verschwanden. Auch er kehrte in sein Hotel zurück.
    Am Gang vor seinem Hotelzimmer (2011) surrte ein Automat mit kalten Dosengetränken. Gute Idee, dachte David, nahm vier Quarter aus seiner Hosentasche und holte sich ein Cola Light. Im Zimmer schaltete er gleich seinen Laptop ein, doch als er nach dem Code für seinen Internet-Zugang gefragt wurde, konnte er den kleinen Zettel nicht finden, auf dem er die komplexe Zahlen-Buchstaben-Zahlen-Kombination notiert hatte, die er beim Einchecken von der Rezeptionistin bekommen hatte. Er suchte den ganzen Schreibtisch ab, griff in seine Hosen- und Sakkotaschen, sah im Papierkorb nach, blickte aufs Nachtkästchen und sah dort die Bibel liegen. Da fiel ihm ein, dass er den Zettel als Lesezeichen verwendet hatte – und tatsächlich, aus dem Büchlein blickte ein halber Zentimeter eines weißen Streifens heraus, mit einem raschen Griff zog er es heraus, nicht ohne vorher die am Nachmittag markierte Seite mit einem Eselsohr zu versehen.
    Er googelte „New York“ und „Apfelstrudel“ – Tausende Eintragungen waren das Resultat. Da gab es ein Rezept nach dem anderen, sogar Youtube-Videos mit genauen Anleitungen, „one of my all time favorite apfelstrudel“ „Wolfgangs Apfelstrudel“ (er klickte kurz rein, es war ein Rezept von Wolfgang Puck, David wusste, dass das der berühmte Österreicher war, der in der Oscar-Nacht immer für die prominentesten Schauspieler aufkochte), dann fand er eine Eintragung „Restaurant Heidelberg“ auf der Second Avenue, die ebenfalls mit ihrem besonderen Apfelstrudel lockte. Das könnte natürlich der Ort sein, von dem Haider und seine zwei Begleiter gesprochen haben, dachte David, und erinnerte sich, dass er einmal mit seiner Großmutter in diesem Lokal gewesen war: Es existierte schon seit einer Ewigkeit, in dieser Gegend waren früher die meisten Deutschen in New York angesiedelt, ganz in der Nähe war auch der Laden von

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