Der Tod des Maerchenprinzen
will mit Arne schlafen. Ich will ein Kind von ihm.
Wenn ich mich ins Bett lege, um zu onanieren, dann tue ich das, um mit Arne zu schlafen. Ich lege mich nicht hin, um mir einen Orgasmus zu verschaffen. Ich lege mich hin, um in Gedanken seine Wärme zu spüren. Beim Orgasmus sehe ich Arne vor mir. Hinterher erlebe ich seinen Orgasmus mit. Danach muß ich weinen, weil seine Zärtlichkeiten kein Ende nehmen. Der Orgasmus ist eine der schönsten Nebensachen bei diesem Erlebnis. Ich habe mit ihm geschlafen.
Ich bin mit meiner Sexualität auf Männer fixiert. Ich onaniere selten. Wenn ich das Bedürfnis nach Sexualität habe, möchte ich mit einem Mann schlafen. Ich onaniere ungerne. Früher hatte ich deshalb ein schlechtes Gewissen. Abhängig, männerfixiert, unselbständig, unfeministisch. Überall wird mir erzählt, wie wichtig es ist, auch mit dem eigenen Körper allein Spaß zu haben. Daß ich gegen ein wichtiges Prinzip der Frauenbewegung verstoße, wenn ich das nicht habe. Daß ich unemanzipiert bin, wenn mir das Streicheln meines eigenen Körpers nicht genauso viel Spaß bringt, wie das Schlafen mit einem Mann. Ich traue mich kaum noch zuzugeben, daß Onanie für mich nur «Ersatzbefriedigung» ist. Aha! Die ist also noch nicht soweit. Die ist noch so unemanzipiert, daß sie lieber mit Männern schläft.
Ich schlafe nicht mit Männern. Es ist ja keiner da, mit dem es mir Spaß bringen würde. Arne will ja nicht. Ich schlafe nicht mit Männern. Aber ich möchte gerne mit einem Mann schlafen. Mit einem, mit dem es so schön ist wie mit Arne. Ich möchte eigentlich nicht onanieren. Daß ich es tue, ist eine Notlösung. Ob es nun emanzipiert ist oder nicht. Es ist nicht mein wirkliches Bedürfnis. Wenn ich es tue, dann ist es nur deshalb schön, weil ich Arne dabei fühle. Das ist zwar sehr unfeministisch, aber sehr schön.
Ich bin wütend. Wütend, daß in unserem Kampf für Befreiung von jeglicher Unterdrückung wieder Dogmen aufgestellt werden. Dogmen, die mich jahrelang unfrei gemacht haben. Andrea besucht mich. Im Gespräch sagt sie irgendwann ganz zögernd, daß sie nicht gerne onaniert. Daß sie das schon nirgends mehr sagen mag. Ich sage ihr, daß es mir genauso ging. Ich ärgere mich. Wieder einmal eine Frau, die ganz eingeschüchtert nicht zugeben mag, daß ihr Sexualität mit Männern mehr Spaß macht als onanieren.
Ich hatte ein paar Jahre lang ein schlechtes Gewissen, daß ich so unfeministische sexuelle Bedürfnisse habe. Heute weiß ich, warum ich diese Bedürfnisse habe. Das wichtigste an jeder Sexualität ist für mich, die Wärme und Nähe eines anderen Menschen zu spüren. Wenn ich onaniere, kann ich mir einen Orgasmus verschaffen. Ich kann mich auch streicheln. Aber das ist alles so nebensächlich. Ich brauche Wärme und Zärtlichkeit, Nähe und Zusammensein. Der Orgasmus ist eine der wichtigsten Nebensächlichkeiten dabei. Sollen andere onanieren, wenn es ihnen Spaß bringt. Wenn das ihre Bedürfnisse sind. Meine sind es nicht. Sollen sie onanieren. Aber sie sollen keine Dogmen aufstellen, daß das das höchste Emanzipationsgut ist.
Meine Sexualität bringt Probleme mit sich. Ganz massive Probleme. Das weiß ich. Wenn ich die Wärme und Nähe eines anderen Menschen suche, dann ist das schon etwas, was ich nicht in jeder Kneipe oder Disco finden kann. Ich meine schließlich wirkliche Nähe. Wenn ich nur mal so, ohne diese Nähe, mit jemanndem schlafen würde, dann könnte ich mich tatsächlich ins Bett legen und mir meine Körperfunktionen selbst erfüllen. Ich habe kein Interesse an oberflächlichen Bumsgeschichten.
Ich schreibe ein Buch. In den letzten zwei Wochen habe ich an die hundert Schreibmaschinenseiten gefüllt. Meine Nächte verbringe ich in angespanntem Halbschlaf. Kann nicht einschlafen. Sehe im Halbschlaf Schreibmaschinentastatur vor mir. Arnes Gesicht wird ein anderes als das, was es wirklich ist. Ich will ein Foto von ihm haben. Damit ich immer weiß, wie er wirklich aussieht. Ich werde ihn darum bitten. Sein Gesicht auf dem Foto wird nie das sein, was ich aus den ersten Tagen mit ihm erinnere. Seine Augen im Halbdunkel am Elbstrand. Nur Lichter von vorbeifahrenden Schiffen. Seine Augen. Kurz nachdem wir uns gestritten haben. Seine Augen, die mich liebten. Die mir sagten, daß Meinungsverschiedenheiten eben dazugehören. Das kann doch nicht vorbei sein. Ich will, daß seine Augen mich wieder lieben. Was nützt mir ein Foto? Ich will diese Augen wiedersehen. Ich habe noch nie
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