Der Tod des Maerchenprinzen
finden. Nicht wieder übereilt irgendwas Neues anfangen. Mich nicht mehr unter den Zwang setzen: weil ich Studentin bin, muß ich auch Uni-Politik machen. Ich kann die Gründe noch nicht analysieren, aber mir wird klar, daß ich noch nie eigene Ansatzpunkte für Politik an der Uni hatte. Daß ich noch nie eine eigenständige Politik da entwickeln konnte. Immer nur gucken konnte: Was machen die anderen? Find ich das richtig? Kann ich da mit machen? Daß mir die Politik an der Uni immer so undurchsichtig war, daß ich nie eigne Ideen entwickeln konnte. Und so kann frau sich natürlich nie richtig mit etwas identifizieren.
Aber ich kann nur da eine eigenständige Politik entwickeln, wo ich selber direkt betroffen bin. Ich stecke nicht im Berufsleben. Also ist es Blödsinn, wenn ich mich schwerpunktmäßig im Kampf gegen Leichtlohngruppen engagiere. Ich bin Studentin. Frauenpolitik muß es sein. Darüber bin ich mir klar. Ich kann keine Arbeit machen, die Frauenthemen nur unter «ferner liefen» mitführt. Ich könnte nicht wieder in irgendeine Bürgerinitiative, Antifa-Gruppe oder so gehen. Ich will Frauenpolitik machen. Aber nicht an der Uni. Aber ich kann auch nicht an den Arbeitsbedingungen der Kolleginnen im Betrieb rumdiskutieren, wenn ich selber nicht im Betrieb bin. Ich will irgendwo eine praktische Politik entwickeln. Nicht nur rumdiskutieren. Seit Jahren habe ich eine Sache nach der anderen angepackt und wieder beiseite gelegt. Ich bin immer noch auf der Suche. Und suche etwas, wo ich Beruf und politische Arbeit miteinander verbinden kann.
Was wird mein Beruf später? Ich studiere unter anderem Literaturwissenschaft. Das Gelaber in den Seminaren nervt mich. Hat keine praktischen Konsequenzen. Warum eigentlich nur studieren? Warum nicht selber schreiben? Frauenbücher zum Beispiel. Aber das trau ich mir nicht zu.
Ich sitze einen ganzen Tag an der Schreibmaschine und mache mir Gedanken darüber, ob Bücher schreiben eine sinnvolle politische Arbeit ist. Oder ob Literatur sowieso immer nur eine kleine privilegierte Minderheit erreicht. Tippe fünf Seiten damit voll. Als Arne wiederkommt, sage ich ihm, daß ich ein Papier zu meiner politischen Perspektive geschrieben habe. Daß ich mit ihm darüber diskutieren möchte. In unseren ersten Diskussionen haben wir viel darüber gesprochen, daß ich nach einem politischen Arbeitsfeld suche. Jetzt reagiert er überhaupt nicht. Fragt mich nicht einmal nach dem Papier. Vergißt, daß ich mit ihm darüber reden möchte. Arne, der mir in einer unserer ersten Diskussionen gesagt hat, er brauche die politische Auseinandersetzung in einer «Beziehung» wie Brot und Wasser. «Wie Brot und Wasser brauch ich die! Wie Brot und Wasser!»
Mehr als zweimal sag ich ihm das nicht. Wenn er nicht mal nachfragt, hat er offensichtlich kein Interesse, sich mit mir darüber auseinanderzusetzen. Kann er offensichtlich auch ohne Brot und Wasser ganz gut leben.
Aber auch in anderen Diskussionen komme ich nicht mehr an ihn ran. Besonders über persönliche Themen kann ich nicht mehr mit ihm reden. Ich habe immer das Gefühl, ihn interessiert das gar nicht. Ich habe immer mehr Hemmungen ihm gegenüber. Kann nicht mehr unbefangen irgendein Thema anschneiden. Von ihm kommen persönlichere Themen sowieso nicht. Wenn wir uns nach einem Termin treffen, initiiert er höchstens «politische» Gespräche. Um alle intimeren Themen ist inzwischen eine Schweigemauer gezogen. Wenn tatsächlich mal so was auf die Platte kommt, reden wir aneinander vorbei. Ich kann mich ihm nicht verständlich machen. Er versucht auch gar nicht ernsthaft, mich zu verstehen. Zum Beispiel diese eine Diskussion beim Fernsehen.
Irgendwie kommt ein Gespräch darüber auf, daß wir es beide Scheiße finden, wenn man eine Nacht zusammen verbracht hat, und dann am nächsten Morgen nichts mehr läuft. Daß wir beide schon solche Frusts erlebt haben, wenn wir mehr von jemandem wollten.
Ich werde wütend, weil aus dem, was er sagt, hervorgeht, daß er überhaupt nichts im Kopf hat, was es für ’ne Frau heißt, jahrelang als Sexualobjekt benutzt zu werden. Daß er es auf das Problem reduziert, daß eine(r) von beiden halt mehr Gefühle investiert und daß das ebensogut der Mann sein kann. «Es ist aber in der Regel nicht der Mann», versuche ich ihm zu verklickern. Er hat scheinbar das Gefühl, daß ich es nicht ernst nehme, daß er als ganz individuelles Individuum da wohl auch schmerzhafte Erfahrungen gemacht hat. Das nehm ich
Weitere Kostenlose Bücher