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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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ihm ja ab. Und trotzdem schnallt er nicht, was sexuelle Unterdrückung heißt. Was «sexuelle Ausbeutung am eigenen Körper erfahren» heißt. Welch klebrigen Ekel das hinterläßt. Daß Frauen hierbei noch was ganz anderes, viel schlimmeres erfahren wie Männer.
    Ich mache zwei, drei Ansätze, es ihm zu erklären. Die Sprache versagt angesichts des Problems, einem Mann zu vermitteln, was eine Frau empfindet. Schlimm genug, die Benutzung meines Körpers jahrelang ertragen zu haben. Schlimmer noch, diesen Abgrund an Ekelgefühlen jetzt nicht einmal in Worten verpackt zwei Meter weiter zu einem Männerkopf schicken zu können.
    «Laß uns die Diskussion abbrechen und ein andermal weiterführen», sage ich endlich. «Ich werd gleich wütend.»
    «Ja, ich werd auch wütend», sagt Arne, und seine Augen blitzen. Er konzentriert sich wieder auf die Tagesschau.
    Mir kommt meine ganze sexuelle Vergangenheit hoch. Von der ich jede Einzelheit, alle Fakten, erzählen kann. Aber doch Männern nie vermitteln kann, was das alles wirklich bedeutet hat. Was das alles in mir kaputtgemacht hat. Welchen Ekel ich heute noch empfinde. Daß der bloße Gedanke an das, was ich selber mit mir habe machen lassen und was Millionen Frauen heute noch über sich ergehen lassen müssen, mir das Würgen in die Kehle treibt... «habe mit mir machen lassen»... weil ich mich nicht wehren konnte... nicht gelernt habe, mich zur Wehr zu setzen, wenn ich benutzt werde... mein nackter Körper benutzt wird... wehrlos und angreifbar... schutzlos... ausgeliefert...
    Als Mädchen jeden Tag zu hören gekriegt, daß eines Tages ein Mann mich «nimmt»... aber natürlich nur, wenn ich mich entsprechend weiblich verhalte... mich anpasse... eine Antenne dafür entwickle, was Männer an mir gut finden... bzw. wie sie mich gut fänden... tja... und dann hab ich nie einen abgekriegt, weil ich nicht hübsch war... so ’ne knubbelige Nase hab und Sommersprossen... dünne, zippelige Haare... Speckfalten auf ’m Bauch... aber vor allem eben kein weiblich weiches Gesicht.
    Auf Tanzfesten und so... die anderen haben immer einen abgekriegt... nur ich nicht... weil ich so häßlich war... ’ne knubbelige Nase hatte und Sommersprossen... nur meine Beine... die waren ganz gut... lang und sexy. Nur oben an den Oberschenkeln zu dick... aber für Miniröcke echt geeignet... und mein Busen... der entsprach nun auch wirklich allen Schönheitsidealen... und schließlich kommt es ja auch nicht darauf an, wie ich aussehe... die Männer sollen schließlich auf meinen Charakter achten... und der ist doch nun echt gut... intelligent bin ich... und ich find mich ganz schön erwachsen für mein Alter...
    Und als ich mit sechzehn, siebzehn Uli kennengelernt hab, da war ich natürlich froh, endlich einen abgekriegt zu haben. Und dann noch ’n erwachsenen Mann, der zehn Jahre älter war als ich. Der drei Jahre Zeit gehabt hat, meine Sexualität von Grund auf kaputtzumachen. Weil das arme Schwein selber so kaputt ist. Heute tut er mir manchmal fast leid, weil er nie eine wirklich schöne Sexualität entwickeln können wird. Er wird immer nur bumsen können. Wird es nie können, wirklich mit einer Frau zu schlafen. Aber dann tut er mir auch wieder nicht leid, weil mir allmählich klargeworden ist, daß meine ganzen heute noch vorhandenen Schwierigkeiten in meiner Sexualität alle ihre Wurzeln in diesen drei Jahren mit ihm haben. Ich mich in allen möglichen Stellungen von ihm bumsen lassen mußte, weil er das geil fand und ich ihn nicht verlieren wollte... halt den Mund, Frau, und tu es ihm «zuliebe»... meine Schuld? Daß ich mich nicht gewehrt habe?
    Daß ich natürlich nie ’n Orgasmus kriegen konnte, wenn er unbedingt von schräg oder von quer oder von hinten bumsen mußte... meine ständigen Blähungen und Bauchschmerzen, wenn ich mit ihm nur das Schlafzimmer betrat... Blähungen und Bauchschmerzen, die natürlich meinen Unterleib erst mal unbrauchbar für die coitale Benutzung machten... dann im Bett liegen und darauf warten, daß die Blähungen aufhören und losgerammelt werden kann. Uli, der sich wundert, daß ich immer seltener Lust habe, mir von ihm hinterher noch einen runterholen zu lassen. Ich will keinen Orgasmus. Was hab ich davon? Er will aber, daß ich einen habe. Damit er sich dann hinterher sagen kann: Ich habe die Frau befriedigt.
    Ich will aber nicht. Bin froh, wenn ich ganz schnell mit Tempo hinterherwischen kann und mich wieder anziehen kann, wenn er endlich

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