Der Tod des Maerchenprinzen
gegenüber aber so verhalte, als hätte ich sie nicht... Wie soll ich mich da noch natürlich verhalten können ihm gegenüber? Und für ihn gilt das doch auch! Auch wenn ich ihm nichts sage. Irgendwie kommt so was auch nonverbal an. Irgendwie muß Arne das auch spüren. Auch wenn es ihm nicht bewußt ist. Er wird es bestimmt als verschwommenen, undeutlichen Druck empfunden haben. Deshalb konnte er sich mir gegenüber nicht mehr ungezwungen verhalten. Es war ein Fehler, es ihm nicht zu sagen. Mein Fehler.
Auch ich mache Fehler. Nicht nur Arne. Das werde ich ihm sagen heute abend . Ab jetzt werde ich ganz ehrlich zu ihm sein. Das ist der einzige Weg, ein entspanntes Verhältnis zu ihm zu haben. Und den ersten Schritt habe ich ja schon gemacht. Ich habe ihm zum erstenmal sagen können, was schon seit unserer «Trennung» in mir weiter rumort: Daß ich mit ihm schlafen möchte.
Arne kommt, als wir beim Abendbrot sind. Setzt sich dazu. Es entwickelt sich ein politisches Gespräch, das mich heute abend nun eigentlich gar nicht interessiert. Arne fragt, ob er bei uns baden könne. Natürlich kann er. Ich bin ganz begeistert von der Perspektive, heute abend einen frischgeduschten Arne im Bett zu haben. Gehe an meinen Schrank, um ihm ein Handtuch rauszusuchen.
«Wieso? Hast du noch was vor?» fragt Jan scherzhaft.
Die Frage könne er nur unterstützen, oder so was Ähnliches, sagt Arne daraufhin. Die beiden Männer lachen. Ich stehe vor meinem Schrank und könnte im Erdboden versinken. Mein Gott, ist mir das peinlich. Diese blöde Bemerkung von Jan. Ich kann da gar nicht drüber lachen. Schließlich wissen doch alle dieser Situation beiwohnenden Personen, daß ich noch was vorhabe mit ihm. Daß ich Arne vor einer Woche gesagt habe, daß ich mit ihm schlafen möchte und er sich mir «verweigert» hat.
Als Arne endlich in der Badewanne ist, gehe ich zu Jan und Uschi in die Küche und schnauze Jan an. Was das denn soll? Diese blöde Frage. Daß klar ist, daß Arne den Rest des Abends bei mir verbringen wird. Und daß sich so eine blöde Frage, ob er duschen will, weil er noch was vorhat, nur auf mich beziehen kann. Und daß Jan auch weiß, daß die Beziehung zwischen Arne und mir im Moment total verkrampft ist. Daß Jan sich denken kann, daß er mich mit so einer dummen Bemerkung in Verlegenheit bringt.
Jan guckt mich an wie ein Auto. Nee, wieso denn? So hätte er das gar nicht gemeint. Uschi versteht es auch nicht. Alle in der Wohnung befindlichen Personen können über diesen «Witz» lachen. Nur ich nicht. Bin ich verklemmt?
Aus dem Badezimmer tönt lautstarkes, lebensfrohes Gesinge. Die ganze Zeit, während Arne badet. Ein revolutionäres Lied nach dem anderen. Und ich sitze in meinem Zimmer und warte darauf, endlich mit ihm reden zu können. Vorhin am Tisch schon. Da hatte Jan ihn noch darauf aufmerksam gemacht, daß Uschi und ich schon eine ganze Weile nicht mehr an dem Gespräch teilgenommen hatten. Uschi hat es nicht mehr interessiert, und sie war in ihr Zimmer gegangen. Und mich hat es nicht mehr interessiert, und ich habe drauf gewartet, wann die endlich aufhören, über die Grünen und die Bundestagswahlen zu diskutieren. Arne weiß, daß ich heute abend was mit ihm beschnacken will. Jan sagt: «Merkst du, daß die beiden Frauen schon die ganze Zeit nichts mehr sagen? Svende will ganz was anderes mit dir besprechen.»
Nee! Arne hat das nicht gemerkt. Hab ich auch nicht anders erwartet. Es ist kein böser Wille von ihm, daß er hier ein Gespräch über meinen Kopf hinweg führt, obwohl eigentlich ich mit ihm verabredet bin. Er merkt so was wirklich nicht. Als ich mich einmal tatsächlich eingeschaltet hab, unterbricht er mich mitten im Satz. Ich trete ihn sanft, aber plötzlich: «Eh! Hast du eigentlich gemerkt, daß du mich eben unterbrochen hast? Ich hatte grade ’n Satz angefangen.»
Nee! Das hat er nicht gemerkt. Es ist kein böser Wille von ihm. Er merkt so was wirklich nicht! Aber böser Wille hin, böser Wille her. Auf jeden Fall setzt er mit so einem Verhalten jedesmal seine Interessen durch. Und ich muß dauernd aufpassen, mich nicht von ihm anmachen zu lassen. Ob er es nun will oder nicht: Objektiv unterdrückt er mich damit. Selbst wenn ich es mir heute in den meisten Situationen nicht mehr gefallen lasse: Er zwingt mich dazu, ständig gegen seine Ignoranz anzukämpfen, wenn ich meine Interessen auch einbringen will. Und dieser Kampf verzehrt wertvolle Kräfte.
Frauen müssen immer stärker sein
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