Der Tod des Teemeisters
gehört. Wer Tag für Tag auf dem Weg des Tees wandelt, entwickelt ein Gespür für so etwas. Laßt mich jetzt schlafen. Meine Wunde ist nicht schwer, aber sie schmerzt ein wenig.«
Hernach hörte ich seine Stimme nicht mehr, nur sein Lachen schien mich weiter zu umgeben. Nicht nur in dieser Nacht hatte ich das Gefühl, er habe der Welt bereits entsagt. Und verberge dies hinter seinem berühmten Namen.
In den drei Jahren, die seit unserer letzten Begegnung vergangen sind, hat sich mir ein Bild von Herrn Oribe eingeprägt. Er sieht immer aus, als wolle er sagen: »Würde Meister Rikyū noch leben, gebe es viel zu tun. Doch seit er tot ist, gibt es nichts mehr.«
VIERTES KAPITEL
Achtundzwanzigster Tag, zehnter Monat,
drittes Jahr der Ära Genma 33
Klarer Himmel
Gegen Mittag kam ich im Daitokuya an und machte mich nach dem Essen gemeinsam mit dem Inhaber auf den Weg zum Tempel Kenninji. Wir brachen frühzeitig aus Teramachi auf, um nicht zu spät zu unserer Verabredung mit Oda Uraku in den Räumlichkeiten des Abtes zu kommen.
Oda Uraku hegt seit längerem den Wunsch, einen unbewohnten und baufälligen Teil des Tempels zu restaurieren, um ihn zu seiner Klause zu machen. Seitens des Kenninji gibt es keine Einwände, und er hat den Inhaber des Daitokuya gebeten, ihn bei der Besichtigung der geplanten Örtlichkeit zu begleiten. Dieser wiederum lud mich dazu ein.
Ich weiß nicht, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen. Soweit man jedoch aus der Häufigkeit schließen kann, mit der er von Herrn Uraku spricht – neuerdings heißt es ständig Herr Uraku dies, Herr Uraku jenes –, schätzt er ihn sehr.
Mehrmals schon hat er mich aufgefordert, Herrn Uraku in seiner Villa in der Zweiten Straße aufzusuchen, damit ich ihn kennenlerne, doch bisher hatte ich nicht den Mut, seinem freundlichen Angebot zu folgen.
Im sechsten Monat des Jahres Keichō zwanzig 34 , als die Burg Ōsaka fiel, erhielt Furuta Oribe aus unbekanntem Grund den unglaublichen Befehl, sich durch das Schwert zu töten.
Danach hatte ich niemanden sehen wollen und ließ meine Tage in Einsamkeit verstreichen.
Wenn ich den Pinsel zur Hand nehme, um dieses Tagebuch zu führen, drückt mir beim Gedanken an Herrn Oribe unbeschreibliche Trauer das Herz ab. Warum mußte ein Mensch wie er ein so schreckliches Schicksal erleiden? Außer vor sehr langer Zeit bin ich Furuta Oribe nur zweimal begegnet – in den Jahren Keichō fünfzehn und sechzehn 35 , dennoch glaube ich, ihn bis in den letzten Winkel seines Herzens zu kennen. Wie könnte es anders sein. Herr Oribe war inzwischen stets allein, sommers wie winters. Das hatte sich nach Meister Rikyūs Tod allmählich so ergeben. Das Ideal der schlichten und strengen Teezeremonie geht allein auf meinen Meister zurück, doch was ist nach seinem Tod daraus geworden? Kein anderer als Meister Rikyū und er verstanden diesen Stil. Sie allein haben ihn geprägt. Deshalb hat Herr Oribe ihn wohl auch nicht an Herrn Sansai weitergegeben und, wie ich glaube, seine Aufgaben als Teemeister der Familie des Shōguns nicht besonders ernst genommen. Ohne Zweifel war er selbst nur dann Teemensch, wenn er die Zeremonie für sich vollzog, alles andere spielte keine so große Rolle. Ich hätte ihn gern gesehen in der Zeit, als er alleine war. Seine strenge Miene und seine straffe Körperhaltung müssen unnahbar auf andere Menschen gewirkt haben.
Ob Herr Oribe als Teemeister der Familie des Shōguns wahrhaftig heimliche Beziehungen nach Ōsaka unterhielt? Warum sollte er? Selbst wenn er mitten in der Schlacht Bambus für einen Teespatel gesucht hatte, konnte man ihn nicht der Verschwörung gegen das Shōgunat beschuldigen. Dennoch hatte man ihn des Verrats angeklagt und ihn dazu verurteilt, sich in seiner Villa in Fushimi zu entleiben. Natürlich war Herr Oribe einmal Hideyoshis Günstling. Doch hätte er dem großes Gewicht beigemessen, wäre er nach dessen Tod gewiß nicht Teemeister Shōgun Ieyasus und seines Clans geworden.
Ich kann das Gerede und die Gerüchte nicht mehr ertragen. Seit Meister Rikyūs Tod kenne ich das zur Genüge, aber sooft ich solches Geschwätz höre, gerate ich jedesmal aufs neue in Zorn.
Herr Oribe sei gestorben, ohne ein Wort zu seiner Verteidigung hervorzubringen, sagt das Gerücht. Ich weiß ich nicht, ob es wahr ist. Aber wie soll ich mir das erklären, falls es wahr sein sollte? Hat Herr Oribe, der nie verstehen konnte, daß mein Meister sein Todesurteil widerstandslos hinnahm, sich selbst
Weitere Kostenlose Bücher