Der Tod des Teemeisters
Meister Rikyū dazu veranlaßt hat. Dafür muß es doch einen Grund gegeben haben. Doch wer sollte Meister Rikyū besser verstehen als Ihr, der Tag für Tag im Gespräch mit ihm ist?« sagte Herr Oribe.
Zum Abschluß tranken wir noch einmal Tee, danach beendete ich meinen langen Besuch. Auch diesmal begleitete Herr Oribe mich durch den großen Garten zum Tor.
Über Herrn Oribe
Dritter Teil
Ich bin seit etwa einem halben Jahr das erste Mal wieder in Kyōto gewesen. Das Jahr geht zu Ende, wir haben den Achtundzwanzigsten des zwölften Monats im neunzehnten Jahr Keichō 31 . Ich ging in die Stadt, um bei den Feierlichkeiten zum dritten Todestag eines entfernten Verwandten des Inhabers vom Daitokuya zu helfen, die die Familie in einem Tempel in Teramachi abhielt. Die Gedenkfeier hatte eigentlich im zehnten Monat stattfindensollen, mußte aber wegen der Kriegsunruhen verschoben werden.
Im Herbst hätte eine solche Zeremonie nirgendwo stattfinden können. Ishida Harube wurde im fünften Jahr Keichō 32 in der Schlacht bei Sekigahara besiegt. Seither sind vierzehn Jahre vergangen, und alle hofften, unter der Herrschaft der Tokugawa würde es nicht mehr zu solch grausamen Feldzügen kommen, aber das wird wohl nur ein Wunsch bleiben. Beunruhigende Gerüchte über einen drohenden Krieg zwischen Ōsaka und Edo in diesem Jahr drangen bis zu meiner Klause vor. Ach was, dachte ich damals, aber dann bewahrheiteten sie sich doch. Alles ging sehr schnell. Im elften Monat kam mir zu Ohren, daß das Heer der Tokugawa die Burg Ōsaka belagerte, und gerade habe ich mit Erleichterung vernommen, daß wieder Friede herrscht.
Im Gegensatz zu meinen Erwartungen war es in Kyōto ruhig. Man hatte mir berichtet, die Stadt sei voller berittener Soldaten, und ich hatte es geglaubt. Statt dessen war alles ganz anders, und Kyōto versank wie jedes Jahr um diese Zeit in eisiger Stille. Die Macht des Fürsten Tokugawa war gefestigt. Ebenso plötzlich wie der Krieg begonnen hat, ist wieder Friede eingekehrt. Man fragt sich, ob der Ausgang nicht von Anfang an feststand.
Während der Gedenkfeier hörte ich von einem Mann aus der Stadt eine seltsame Geschichte über Herrn Oribe, die mich allerdings kaum überraschte. Dieser sei, nachdem er Anfang letzten Monats während der Belagerung von Ōsaka verletzt wurde, vor einigen Tagen in seine Villa nach Fushimi zurückgekehrt.
Zu seiner Verwundung sei es gekommen, als er einenFreund, wahrscheinlich Herrn Satake, besuchte und mitten in einem Gefecht vor den Palisaden nach einem schönen Stück Bambus für einen Teespatel suchte. Dabei soll er von einer Kugel getroffen worden sein, die aus der Burg abgefeuert wurde.
Wahrscheinlich stimmt die Geschichte, genau weiß ich es nicht, denn der, der sie mir erzählte, hatte sie aus zweiter Hand. Anscheinend macht dieser wenig rühmliche Vorfall überall in der Stadt die Runde. Beim Zuhören sah ich im Geiste Herrn Oribe vor mir, wie er hinter den Palisaden nach einem Stück Bambus für einen Teespatel sucht. So etwas sah ihm wirklich ähnlich. Für ihn ist ein Teelöffel wichtiger als jede Schlacht. Drei Jahre sind seit unserer letzten Begegnung vergangen, und er muß jetzt über siebzig sein. Ich verspürte den dringenden Wunsch, ihn umgehend in Fushimi zu besuchen, aber die Umstände gestatteten es mir nicht.
In jener Nacht, als ich in meine Klause zurückgekehrt war, sprach ich zum ersten Mal seit langem wieder mit Herrn Oribe. Ich stellte selbst die Fragen und antwortete auch selbst, aber sah ihn vor mir und hörte seine Stimme, als wäre er anwesend.
»In Eurem Alter solltet Ihr solche Orte meiden«, mahnte ich ihn.
»Reden wir nicht von meinem Alter. Immerhin bin ich noch davongekommen.« Es folgte ein unbekümmertes Gelächter. Ich bemerkte zum ersten Mal, daß sein Lachen zwar unbekümmert, aber irgendwie leer klang.
»Dennoch bin ich froh, daß Ihr Euch innerhalb der Reihen von Fürst Tokugawa befandet.«
»Schließlich bin ich der Teemeister des Shōgun.«
»Das solltet Ihr auch nicht vergessen.«
»Kann aber vorkommen.«
»Auf alle Fälle solltet Ihr Euch von Schlachtfeldern fernhalten.«
»Ich kann es einfach nicht lassen. In meiner Jugend habe ich von morgens bis abends gekämpft. Die Schlachten, die ich zu Pferde schlug, sind kaum zu zählen.«
»Ich weiß, dennoch ...«
»Ab und zu kämpfen ist besser, als jeden Tag mit der Teezeremonie zu verbringen. Ganz gleich, ob man gewinnt oder verliert. Allerdings habe ich nie zu den Besiegten
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