Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
Natürlich waren Hunderte von Menschen an dem Abend in der Nähe des Waschhauses gewesen, aber keiner hatte irgendetwas gesehen, und keiner hatte irgendetwas gehört. Keine Zeugen, keine Feinde, kein Motiv. Oder doch Isabelle? Er würde gleich mit ihr reden. Immer und überall zu viel : zu viele Leute auf diesem Campingplatz, zu viele Fragen, zu viele Zweifel. Zu viele Jahre? War er doch zu alt? Oder war er nur zu blind, um dieses hellblaue Puzzleteil zu erkennen?
Eine Frau lag nackt auf dem Sand, ohne Handtuch, einfach so. Piet fragte sich, warum Piercingringe durch die Brustwarzen nicht die Haut verbrannten, bei dieser Hitze. Schon wieder erwischte eine Welle seinen Schuh, diesmal den rechten.
Er brauchte eine Abkühlung. An diesem Teil des Strandes war Nacktbaden zwar nicht erlaubt, aber die Frau, an der er gerade vorbeigekommen war, hatte auch nicht viel angehabt, nur die zwei Ringe durch die Brustwarzen und einen weiter unten. Piet streifte die nassen Schuhe ab, zog die Jacke und das T-Shirt aus, dann die Hose mit der Unterhose und stürzte sich in die Nordsee.
Er blieb so lange unter Wasser, wie seine Lunge es zuließ. Er spürte das Nass, das sich trotz oder wegen der Hitze eiskalt anfühlte. Seine Schädeldecke, die eben noch gebrannt hatte, bedankte sich herzlich für das kalte Salzwasser. Er schwamm mit langen, gleichmäßigen Kraulzügen und genoss die Wellen, die ihm entgegenschlugen. Er hatte nie verstanden, warum Nacktbaden an manchen Stränden verboten war. Nackt Volleyball spielen, das sollte überall verboten werden, zumindest wenn die Mitspieler so aussahen wie er selbst. Aber nackt baden, das war ein menschliches Grundbedürfnis, das durfte man nicht verbieten.
Er hatte natürlich kein Handtuch dabei. Nach dem Schwimmen setzte er sich auf den Sand und vertraute auf den warmen Wind.
Wenn man an den Strand geht, um zu schwimmen, überlegte er, muss man ein Handtuch dabeihaben. Ein Mathematiker würde sagen, das ist eine notwendige Bedingung. In der Mathematik unterschied man zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen. Dass ein Bauer mit seinen Kartoffeln auf den Markt ging, das war eine notwendige Bedingung. Wenn er es nicht täte, könnte er seine Aardappels nicht verkaufen. Dass der auf den Markt gehende Bauer auf Marktbesucher traf, das war dagegen eine hinreichende Bedingung. Es stand fest, dass er ein Geschäft machen würde. Es stellte sich weiterhin die Frage, wie viele Kartoffeln er verkaufen würde. Das hing vom Preis ab oder vom Wetter oder von der Präferenzstruktur der Konsumenten. Aber er würde Kartoffeln verkaufen, das stand fest.
Piet fand sein Vertrauen in den warmen Wind bestätigt. Er stieg in die Unterhose, die er vor langer Zeit gekauft hatte, weil Calvin Klein darauf stand. Das Ding war mittlerweile fast so ausgeleiert wie der Hintern, den es bedecken sollte. Der feuchte Sand von seinen Pobacken verteilte sich in seiner Jeans und erinnerte ihn daran, dass ein Handtuch eine notwendige Bedingung war.
Die Frau mit den Piercingringen warf ihm einen Blick zu, den er nicht deuten konnte oder wollte. Er lächelte zurück, nur für den Fall, dass sie auch gelächelt hatte. Er zog sein T-Shirt an, band die Schnürsenkel der Schuhe zusammen und hängte sie sich über die Schulter, genau wie die Jacke. Dann ging er weiter am Strand entlang Richtung Zoutelande.
In der Mathematik gab es Voraussetzungen und Schlussfolgerungen. Sie hatten keine brauchbaren Voraussetzungen, aber sie hatten Schlussfolgerungen gezogen. Vielleicht musste man auch die Voraussetzungen überprüfen. Plötzlich spürte er einen Kopfschmerz wachsen, hinten links unter der Schädeldecke.
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Schellach ist ein »verschwundenes Dorf«. Eine kleine Erhebung in der Landschaft zeigt an, wo früher mal der Friedhof war. Hier stand auch die Kirche, aber der Ort ist im achtzigjährigen Krieg verwüstet worden. Übrig geblieben ist die Kaasboerderij , der erste Bauernhof in Zeeland, auf dem man selber Käse produziert.
Anne kaufte Bockshornkleekäse und frische Buttermilch. Die Kinder probierten fast jede Käsesorte und den selbst gemachten Vla . Wir tranken die Buttermilch sofort und packten den Käse in meine Satteltasche.
Es war eigentlich typisch, dass in diesem Moment die Diskussion über das Abendessen begann. Edda wollte nicht ins Boekanier . Das Argument mit den Trampolinen, mit denen der findige Wirt hinter seiner Terrasse ein unschlagbares Argument für Kinder
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