Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
man Sex auch woanders haben kann. Wir haben nie darüber geredet, aber wir haben es beide gewusst.«
Piet schob ihr eine Haarsträhne hinters rechte Ohr, die sich jedoch beim nächsten Windstoß schon wieder befreite. »Weißt du, ich will dieses Motiv einfach nicht außer Acht lassen: Eifersucht. Für dich war das kein Problem. Aber irgendeine Frau hatte Sex mit ihm, schwärmte für ihn und verliebte sich, nur um dann festzustellen, dass dieser Kerl eben doch nicht frei ist. Da kann man auf schlimme Ideen kommen.«
»Ja, kann man. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Coen stand nie auf Probleme. Die Frauen, die waren eher von der Sorte ›glücklich verheiratet‹. Die wollten eine Nacht mal wieder richtig was erleben, weißt du?«
»Ja«, sagte er zögernd, »ich glaube, schon. Machst du mir trotzdem eine Liste?«
Ihre Augen blitzten belustigt. »Eine Liste? Eine Liste von Frauen, mit denen Coen was hatte? Nein, nein, mein Lieber. Such du dir deine willigen Weiber selber!« Sie küsste ihn mitten auf den Mund, schlüpfte in ihre Espandrillos und nahm ihre Tasche: »Es war schön, mit dir zu sprechen. Weißt du, er fehlt mir.«
»Ja, ich weiß.« Piet schaute ihr noch eine Zeit lang nach, wie sie die Pier entlangging. Als sie die Treppe auf den Deich betrat, wanderte sein Blick wieder Richtung Westen und verlor sich in der Weite.
23
Vielleicht war es das Meer, auf das er schaute, oder es war die salzige Luft. Vielleicht waren es auch ihre Lippen, keine Ahnung! Er bekam Hunger, und zwar auf Fisch. Die Gazelle stand hinterm Deich, aber er würde am Strand entlang gehen. Nach hundert Metern hätte er das Paradiso erreicht. Ein alter Freund hatte sich vor einiger Zeit in den Kopf gesetzt, in einem Strandpavillon mit etwas anderem als Frikandel speciaal, frites Mayo Geld zu verdienen. Die Idee war scheiße, aber der Koch war sensationell. Und ein Spaziergang am Strand würde Piet verdammt guttun.
Er stand auf und genoss einen letzten Blick von der Pier aufs Meer. Ein Segelboot schwebte über der dunstigen Stelle, wo eben noch ein orangefarbener Sonnenball in der Nordsee versunken war.
Der Wind war nicht mehr wüstenheiß, die Hitze des Nachmittags war mit der Sonne verschwunden. Piets Gedanken kreisten nur um das eine Thema: Isabelle. Sie hatte ein Motiv. Aber sie war keine Mörderin. Sie könnte ihrem Mann so etwas nicht antun – nicht dem Mann, den sie so sehr liebte. Aber hatte sie Coen wirklich so geliebt, wenn sie Piet gerade eben geküsst hatte? Und nicht einfach geküsst. Das war nicht wie Schutz suchen oder an eine breite Schulter anlehnen. Das war mehr gewesen, das war … Verlangen?
Sliptongetjes wäre heute falsch, Seezungenfilets, das war Anfängerfisch. Er wollte etwas schmecken, vielleicht einen Seebarsch. Mal schauen, was Adriaan heute auf der Karte hatte.
Die Sonne brannte schon seit einer halben Stunde nicht mehr auf den Strand herunter, aber der Sand hatte die Wärme gespeichert. Der Weg tat gut.
Auf den letzten hundert Metern seines Weges tauchte ein ungeahntes Hindernis auf. Die Urlauber waren zwar schon verschwunden, aber zwei Caterpillar-Planierraupen waren noch unterwegs, zwei auf diesem kleinen Strandabschnitt. Der Winter hatte den Strand gefressen, und die Raupen versuchten ihn wiederherzustellen. Zoutelande war der Ort mit den meisten Sonnenstunden in den Niederlanden. Das hatte er vor Kurzem noch in irgendeiner Zeitung gelesen – oder war es ein Werbeprospekt gewesen? Der Golfstrom bog genau hier um die Ecke und sorgte für ein besonderes Mikroklima im Frühling, im Sommer und im Herbst, aber der Winter war hart und konnte Strände fressen.
Bei Zoutelande gab es die höchste Düne der Niederlande, vierundfünfzig Meter hoch. Die Düne hatte diesen Teil der Küste gegen die Westerschelde geschützt. Aber unmittelbar vor dem Ortskern half den Bewohnern die Düne nicht mehr weiter. Hier hatten die Menschen einen Deich angelegt.
Die Wasserstraße nach Vlissingen führte in ein paar Hundert Metern Entfernung vorbei. Darauf zogen große Containerschiffe vorüber, nur das große Pumpschiff lag bewegungslos in der Fahrrinne. Es saugte den Sand vom Meeresgrund an und pumpte das Wasser-Sand-Gemisch über riesige Rohre an den Strand. Dort hatten die Caterpillar-Raupen schon Rechtecke abgegrenzt, und jetzt verteilten sie das Wasser-Sand-Gemisch gleichmäßig in diese Rechtecke. Der Strand wuchs von Minute zu Minute. Auch in Zoutelande hatten die Menschen gelernt,
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