Der Tod hat einen Namen
für sie dazu bereit sein würde? Robin Graven ganz bestimmt nicht. Er brachte es ja nicht einmal fertig, seiner Familie die Stirn zu bieten.
Wie oft hatte Robin `ich liebe dich` zu ihr gesagt, aber war das nicht nur eine bloße Floskel gewesen? Die junge Frau lauschte in sich hinein. Noch immer spürte sie bei dem Gedanken, es könnte zwischen ihnen aus sein, keinen Schmerz. Einerseits war sie froh darüber, andererseits beunruhige es sie. Konnte es sein, daß ihr wirklich die Musik mehr bedeutete als irgendein Mensch?
Victor Callison griff nach ihrer Hand und drückte sie. "Was haben Sie?" raunte er ihr fast lautlos zu.
Pamela schenkte ihm ein Lächeln. Wie immer, wenn er sie a nsah, fühlte sie, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. "Es ist nichts", erwiderte sie ebenso leise. Nein, Robin irrte sich. Sie lebte nicht nur für die Musik, sonst hätte es Victor nicht fertigbringen können, sie so zu verwirren.
Wie jedes Jahr hielt Kathleen Callison eine kurze Ansprache, in der sie darauf einging, weshalb diese Ausstellungen auf Win dhaven stattfanden und warum in diesem Jahr Edith Race und Daniel Harbuck auserwählt worden waren, hier ihre Werke zu präsentieren.
"Besonders freue ich mich, daß es mir gelungen ist, für dies eVernissage eine weltberühmte Pianistin zu gewinnen", sagte sie. "Miß Pamela Lindsay wird für Sie jetzt einen bunten Reigen aus den Werken Frédéric Chopins spielen."
Mrs. Callison machte zwei Schritte in Pamelas Richtung. "Bi tte, Miß Lindsay."
Pamela stand auf und betrat unter dem Beifall der Zuhörer das Podium. Selbstsicher ging sie zum Flügel und setzte sich. Als erstes hatten sie zwei Nocturnes ausgesucht, dann sollte eine M azurka folgen.
Wie immer, wenn sie spielte, vergaß die junge Frau alles um sich herum, gab sich ganz der Musik hin. Fast wie von selbst gli tten ihre Finger über die Tasten. Noten brauchte sie nicht. Schon als Zwölfjährige hatte sie alle Stücke auswendig gespielt.
Brausender Beifall klang auf, als Pamela das erste Stück bee ndet hatte. Sie neigte leicht den Kopf in Richtung der Zuhörer, wartete einen Augenblick und begann dann mit dem zweiten Nocturne.
Selbstvergessen durchlebte sie, was Chopin mit seinen Noctu rnes hatte aussagen wollen. Es waren Erinnerungen an unbeschwerte Tage und dem Zauber sternklarer Mondnächte. Sie glaubte das Gewisper der Verliebten zu hören, ihre Schwüre...
Und dann veränderte sich plötzlich ihr Spiel. Etwas Fremdes schien von Pamela Besitz ergriffen zu haben. Sie war nicht mehr Herr ihrer selbst. Ihre Finger gehorchten ihr nicht. Obwohl sie sich verzweifelt dagegen wehrte, spielte sie die kurze Sinfonie, die sie in der vergangenen Nacht gehört hatte.
Kathleen Callison sprang auf. Ihr Gesicht wirkte wie eine weiße Maske. Mit der Linken griff sie sich an den Hals. "Nein", preßte sie zwischen geschlossenen Zähnen hervor. "Nein!" Sie machte zwei Schritte auf das Podium zu, aber noch bevor sie es erreichten konnte, brach sie mit einem erstickten Aufschrei zusammen.
Pamela riß ihre Hände von den Tasten. Flüchtig wie ein Hauch glaubte sie eine schmale Gestalt davonlaufen zu sehen, doch sie kümmerte sich nicht weiter darum, sondern eilte zu Kathleen.
"Ist sie bewußtlos?" fragte sie fassungslos.
"Meiner Frau ist es nur etwas schwindlig geworden", sagte Charles Callison. Er richtete sich auf und wandte sich den Gästen zu, die zum Teil von ihren Plätzen aufgesprungen waren, aber den Anstand besaßen, sich nicht um die Bewußtlose zu drängen. "Es ist alles in Ordnung", versicherte er. "Kein Grund zur Besorgnis. Bi tte, nehmen Sie wieder Platz."
"Kann ich irgend etwas tun?" fragte Pamela. Sie fühlte sich schuldig, wenngleich sie nicht wußte, warum. Sie konnte nur ve rmuten, daß Kathleens Zusammenbruch mit dem Stück in Verbindung stand, das sie gespielt hatte.
"Bitte, spielen Sie weiter, Pamela", bat Victor. Er lächelte b eruhigend seiner Mutter zu, die gerade wieder zu sich kam. "Vater und ich bringen dich nach draußen. Mach dir keine Sorgen, Kathleen."
Kathleen Callison griff nach Pamelas Hand. "Dinah", flüsterte sie. "Dinah, ich..."
"Es ist alles gut, Lovely", versuchte ihr Mann sie zu beruhigen. Vorsichtig half er ihr, sich aufzurichten. "Es war etwas viel für dich." Er warf Pamela einen zornigen Blick zu. "Spielen Sie endlich weiter", befahl er ihr so leise, daß die junge Frau ihn kaum verstehen konnte. "Meiner Frau liegt viel am Erfolg dieser Vernissage. Reicht es nicht, was Sie
Weitere Kostenlose Bücher