Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
dem ich eine wunderbare Beziehung aufgebaut habe, alles offenbart. Doch musste ich feststellen, dass er mit Lester Feldenhammer die Stelle getauscht hatte. Daher schwieg ich weiterhin und blieb in meinem Rollstuhl. Dann geschahen zwei Dinge. Zuerst und traurigerweise starb ein junger Mann, mit dem ich mich während meines ersten Klinikaufenthalts angefreundet hatte. Emil Künstli-Geiger. Er war eben erst eingeliefert worden, und es gab berechtigte Hoffnungen auf seine Genesung. Doch nach einigen Fehlschlägen verschlechterte sich sein Zustand, und nun war das Ende nah. Er freute sich, mich wiederzusehen, und ich spendete ihm allen Trost, zu dem ich fähig war.
Seltsamerweise waren es, neben meinem eigenen Schicksal, die Gespräche mit Emil, warum ich die Vorstellungen des Third Thought ernst nehmen konnte. Mein erster und zweiter Gedanke aber drehte sich immer um das Leben, und eines Tages, als ich ihm in seinem Zimmer etwas aus der Schublade holte, entdeckte ich seinen Pass und seinen Führerschein. Und während ich den traurigen Vergleich zwischen seinem jetzigen und früheren Aussehen zog, fiel mir auf, dass zwischen uns eine gewisse Ähnlichkeit bestand: Gesichtsform, Größe et cetera.
Einige Tage darauf starb er. Bevor er verschied, dankte er mir für meine Fürsorge und drängte mich, mir etwas zu nehmen, was mich an ihn erinnern würde. Ich nahm mir seinen Pass und seinen Führerschein.
Eine lange Perücke und ein dünner, fransiger Bart, und ich hatte eine neue Identität. Was ich damit anstellen wollte, wusste ich allerdings noch nicht.
Die Beziehung zu Lester hatte sich mittlerweile entwickelt. Hier war jemand, mit dem ich reden konnte. Wir waren noch nicht so miteinander bekannt, um Vertraulichkeiten auszutauschen. Doch als vergangenes Weihnachten Daphne Denham und ihre Entourage auftauchte, war mir schnell klar, was das zu bedeuten hatte. Sie war die Räuberin, er die Beute! Aber mir blieb nicht viel Zeit, um Lesters Problem zu analysieren. Denn ich wusste, ich hatte selbst eines.
Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick, Andy? Als Sie Ihrer Lebensgefährtin Cap Marvell zum ersten Mal begegneten, wussten Sie da, dass sie genau die Richtige für Sie ist? So, wie Sie von ihr reden, weiß ich, wie viel sie Ihnen bedeutet – ja, Sie dürften mittlerweile herausgefunden haben, dass ich Ihren faszinierenden Aufzeichnungen gelauscht habe –, aber es lässt sich unmöglich sagen, ob es lang und langsam vor sich hin gelodert hat oder zu einer plötzlichen Explosion gekommen ist.
Bei mir und Esther Denham verlief es explosiv. Es war, als wäre mir mit einem glühend heißen Bügeleisen die Botschaft in die Seele gebrannt worden – das ist die richtige Frau für dich! Bei ihr war es etwas anders. Eher in der Art: Nicht zu fassen – stehe ich wirklich auf einen Typen im Rollstuhl? Mach auf der Stelle Schluss damit, du durchgeknalltes Miststück!
Mir blieb nicht verborgen, wie hingezogen sie sich zu mir fühlte und wie sehr sie das zugleich schockierte. Ich wusste, sie würde alles tun, um mich nie wiederzusehen, war sie erst einmal zur Tür draußen. Tatsächlich brachte sie sofort eine Entschuldigung vor und meinte, sie müsse aufs Klo. Kühn erbot ich mir an, ihr es zu zeigen, ein Verhalten, das Lester und Daph als äußerst ungewöhnlich hätte erscheinen müssen, hätte er sich nicht in einem geradezu panischen Zustand und sie sich in einem der Lust befunden.
Wir erreichten die Toilette, sie öffnete die Tür und trat ein, ich rollte ihr hinterher, sie drehte sich um vor Wut, aus der Erstaunen wurde, als ich mich aus meinem Stuhl erhob und sie küsste.
Es folgte ihrerseits ein Augenblick des Schocks und des Widerstands, meinerseits der Angst, sie könnte loskreischen und die Schwestern auf den Plan rufen.
Doch dann erwiderte sie meine Küsse, was nur deshalb ein Ende fand, weil sie zu sehr lachen musste. Das alles, sagte sie, sei so völlig unerwartet, so völlig unvorstellbar, dass es schon wieder komisch sei!
Da wusste ich, dass ich recht hatte. Sie war die richtige Frau für mich. Nur dass ich natürlich in Daphnes Augen, ob mit oder ohne Rollstuhl, nicht der richtige Mann für sie war. Und falls Ess auch nur zwei Finger gegen Daph erhob, würde nicht nur sie ohne jeden Penny dastehen, sondern auch ihr lieber Bruder Ted.
Ted ist, wie Sie selbst bereits beobachtet haben, nicht unbedingt die größte Leuchte. Ess hat sich ihr Leben lang um ihn gekümmert. Durch die Familienbande hat, denke
Weitere Kostenlose Bücher