Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
zurückzahlen«, sagte Pascoe. »Was nicht heißt, dass ich ihm keinen Anschiss verpassen werde, weil er sich einfach so aus dem Staub gemacht hat. Apropos, das werde ich auch den Dicken fragen. Warum zum Teufel hat er mir nicht Bescheid gesagt, dass Franny hier ist.«
»Vielleicht hat er es selbst nicht gewusst«, schlug Wield vor.
»Soll wohl ein Witz sein! Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Und wenn dem so ist, dann weiß der alte Dreckskerl, falls er keinen Rückfall hatte, ganz genau, wer von den beiden Dreckspatzen auf die aufgehängte Wäsche gekackt hat! Nein, Andy hat es gewusst. Er hat nur beschlossen, dass ich es nicht zu wissen brauche. Er wird mir einiges zu erklären haben.«
Er polterte die Treppe hinunter. Durch das Fenster sah ihn Wield über den Rasen gehen.
»Klar«, murmelte er vor sich hin, »wenn wir vor dem Allmächtigen auf sind, müssen wir uns auch noch dafür rechtfertigen.«
2
E twa eine halbe Stunde vor Pascoes Eintreffen in Sandytown hatte Detective Constable Shirley Novello ihren Fiat Uno vor dem Kyoto-Haus geparkt.
Wield hatte sein DC -Trio angewiesen, mit den Parkers anzufangen, es allerdings ihnen überlassen, wer sich wen vorknöpfen wollte. Es gab drei Adressen für die Familienmitglieder. Aufgrund seiner Dienstjahre wäre Dennis Seymour die erste Wahl zugestanden, aber da er nicht nur der Dienstälteste, sondern auch sonst vom alten Schrot und Korn war, sagte er: »Ladys first, außer du hältst das für sexistisch, Shirley.«
»Doch nicht bei dir, Den«, sagte sie lächelnd. »Wenn ihr mal über dreißig seid, habt ihr verheirateten Typen doch alles über den Sex vergessen.«
Dabei studierte sie die Liste und ging die Möglichkeiten durch.
Erledigte man das Routinezeugs zur allgemeinen Zufriedenheit, wurde man als zuverlässig angesehen, was ganz in Ordnung war. Aber fischte man aus dem ganzen Mist einen wertvollen Indizien-Baustein, galt man als intelligent, und das war um einiges besser. Angesichts der Zeugenbefragungen versuchte die ehrgeizige DC herauszufinden, wo der funkelnde Preis am wahrscheinlichsten zu holen war.
Nur eine der drei Adressen bezeichnete einen festen Wohnsitz. Ihrer Erfahrung nach war das der Ort, den sie aufzusuchen hatte. Bei Mordermittlungen begann man immer im nächsten Umfeld. Am besten bei den Verwandten, aber der weise alte Wield hatte die Cousine sowie die Nichte und den Neffen bereits für sich reserviert.
Die anderen beiden Parkers waren nur Besucher. Möglich, dass der Grund ihres Besuchs einen näheren Blick wert war, wahrscheinlich aber hielten sie sich lediglich wegen der Meeresluft hier auf.
»Ich mach das Kyoto-Haus«, sagte sie.
Dabei beobachtete sie insgeheim Hat Bowlers Reaktion. Er war ihr direkter Konkurrent beim Erklimmen der glitschigen CID -Leiter. Seinen Fähigkeiten brachte sie gesunden Respekt entgegen. Sie erhaschte ein leises Lächeln, das er sofort unterdrückte. Was sie kurz beunruhigte. Aber dann dachte sie sich, wenn er die erste Wahl gehabt hätte, hätte sie ebenfalls leise gelächelt, nur um ihn zu beunruhigen. Damit in ihrer Wahl bestätigt, machte sie sich auf die kurze Fahrt zum Kyoto-Haus.
Sie stieg aus dem Wagen und sah nach Osten. Der Ausblick war phantastisch, wenn man darauf stand, meilenweit nichts anderes als Meer und Himmel zu sehen. Novello fand ihn langweilig. Der Natur hatte sie noch nie viel abgewinnen können, es sei denn, sie kam in Form muskulöser junger Männer mit einem Faible fürs Ringen daher. Das Haus andererseits war ganz okay, die moderne Linienführung, die großen Fenster und die Offenheit sagten ihr wesentlich mehr zu als die efeudrapierte Altertümlichkeit der Sandytown Hall.
Als sie auf den Eingang zusteuerte, öffnete sich die Tür, darin stand ein acht- oder neunjähriges Mädchen. »Wer sind Sie?«, wollte es wissen.
»Ich bin Polizistin«, erwiderte Novello. »Und wer bist du?«
Das Kind allerdings war davon alles andere als eingeschüchtert.
»Sind Sie gekommen, um uns zu verhören? Ich bin eine Zeugin. Ich habe alles gesehen!«
Sie trat vor und hätte wohl die Tür hinter sich geschlossen, um jegliche weitere Störung zu unterbinden, aber eine Stimme hinter ihr rief: »Minnie, wer ist da?«
Novello grinste. »Pech gehabt«, dann drückte sie die Tür auf und rief zurück: » DC Novello, Mid-Yorkshire CID .«
Kurz darauf erschien ein Mann, um die dreißig, schlank, abgekämpft, zerzaustes blondes Haar.
»Mr. Tom Parker?«, fragte Novello.
»Ja.
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