Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
erzählen könnten, was sich beim Barbecue zugetragen hat, soweit Sie sich daran erinnern können.«
Zwanzig Minuten später war er damit fertig. Sidney Parkers Darstellung des Festes war klar und prägnant. Nichts davon würde ihnen bei den Ermittlungen weiterhelfen, soweit Hat es beurteilen konnte. Als er Lady Denham zum letzten Mal gesehen hatte, war es erst halb drei gewesen.
»Danach haben sich unsere Wege nicht mehr gekreuzt«, sagte er. »Von Zeit zu Zeit habe ich noch irgendwo ihre dröhnende Stimme gehört – sie hat … sie hatte eine sehr eindringliche Art zu sprechen –, aber beschwören möchte ich das nicht. Wenn Sie mehr erfahren wollen, was sie während des Festes im Einzelnen gemacht hat, rate ich Ihnen, mit Dr. Feldenhammer vom Avalon zu sprechen.«
»Warum ausgerechnet mit Dr. Feldenhammer?«, fragte Hat.
Wieder ein Lächeln, diesmal aber flüchtig, verstohlen, möglicherweise sogar ein wenig maliziös?
»Sie fühlte sich, denke ich, stark zu ihm hingezogen«, sagte er und beobachtete dabei eindringlich den jungen Mann.
»Hingezogen? Sie meinen …?« Hat suchte nach dem Wort. Parker lachte.
»Ich fürchte, Sie hegen kleinliche Vorurteile, Constable Bowler. Lady D. mochte in Ihren Augen ein Oldie gewesen sein, aber sie war noch lange kein, wie sagt man so schön, Grufti. Sondern eine Dame mit ausgeprägten, nun ja, Gelüsten. Aber das alles weiß ich nur vom Hörensagen, nicht aus eigener Erfahrung. Wenn Sie sich darüber ein eigenes Urteil bilden wollen, müssen Sie mit anderen reden.«
Zur Familie und den Finanzen können wir also noch Sex hinzufügen, dachte Hat. Falls Parker den Sex nicht lediglich zur Ablenkung ins Spiel gebracht hatte.
»Als ihr Finanzberater«, sagte er, »können Sie da sagen, wie viel sie so auf der hohen Kante hatte? Ich meine, nur ganz allgemein. War sie reich? Sehr reich?«
»Das hängt ganz von den Kreisen ab, in denen Sie sich bewegen«, sagte Parker. »In der City hätte sie wohl als wohlsituiert gegolten. In Sandytown als stinkreich.«
»Hat sie jemals angedeutet, wer nach ihrem Tod ihr Vermögen bekommt?«, fuhr Hat fort.
»Leider nein. Und wenn, dann hätte ich es nur mit Vorbehalt zur Kenntnis genommen. Sie war niemand, dem es Spaß gemacht hat, Geld auszugeben. Also musste sie sich auf die anderen Vergnügungen konzentrieren, die Geld zu bieten hat.«
»Die sind?«
»Im Grunde sind es zwei. Zum einen Spenden zu wohltätigen Zwecken. Das, darf ich Ihnen versichern, stand auf Daphnes Prioritätenliste nicht sehr weit oben. Gerüchten zufolge soll sie am Volkstrauertag immer die Mohnblume getragen haben, die ihr Vater 1920 gekauft hat.«
»Und das Zweite?«
»Ihr nahestehende Menschen zu zwingen, sich zum Affen zu machen, weil sie dann hoffen durften, ihr Vermögen zu erben. Dazu gehört natürlich, dass man sie über die eigenen Absichten im Unklaren lässt. Ich meine, wenn man weiß, dass man definitiv nicht im Testament steht, warum sollte man sich dann noch zum Affen machen?«
»Sie haben also keine Ahnung, wer der Nutznießer ist?«
»Nun, es ist allgemein bekannt – schließlich steht es so im Testament ihres ersten Mannes Howard alias Hog Hollis –, dass ihr Schwager aus dieser Ehe, Harold alias Hen Hollis, Millstone bekommen wird, den Bauernhof der Hollis’.«
»Harold Hollis, sagen Sie?«, kam es von Hat, der seine Liste überflog. »Warum wird er Hen genannt?«
»Er warf sich auf die Geflügelzucht, während sein Bruder Schweine vorzog. Daher Hen und Hog.«
»Ich hab einen Alan Hollis auf meiner Liste, aber keinen Harold.«
»Alan ist Wirt des Hope and Anchor in der Stadt. Gehört ebenfalls zur Familie, war aber so schlau, es sich mit Daphne nicht zu verderben. Anders als Hen. Er und Lady D. konnten sich absolut nicht ausstehen.«
»Sie kamen also nicht miteinander aus. Und er profitiert auf jeden Fall von ihrem Tod …«
Er hatte die Worte nicht laut aussprechen wollen, und schon gar nicht mit diesem Eifer, aber sie waren ihm nun mal herausgerutscht. Parker lächelte breit.
»Jugendliches Ungestüm«, sagte er. »Wäre schön, wenn sich herausstellen würde, dass es so einfach wäre, nicht wahr, Mr. Bowler? Ich hoffe Ihretwegen, dass dem so sei.«
Hat runzelte die Stirn und versuchte die Situation zu retten, indem er ernst sagte: »Eine letzte Frage, Mr. Parker. Warum haben Sie die Hall so früh verlassen?«
»Ich habe schon vor der …
Entdeckung
beschlossen, dass es Zeit zum Aufbruch wäre. Ich fragte alle,
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