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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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reparieren. Mittlerweile kam ich dazu, ich ließ sofort Eimer voll Wasser bringen, damit die Juden trinken konnten, ich versprach ihnen, daß man nach der Dusche Brot verteilen würde, und rief Hagemann an, er solle sein Häftlingsorchester kommen lassen. Ein paar Minuten später war es da, die Musiker stellten sich in einer Ecke des Hofes auf und fingen an, Wiener und polnische Weisen zu spielen. Ich weiß nicht, ob es die Musik allein war, die sie beruhigte, oder ob auch die Tatsache, daß man ihnen vorspielte, sie über unsere Absichten in Sicherheit wiegte, aber allmählich verebbte der Tumult, die Juden hörten auf, sich zu erregen, und ich war überzeugt, daß, wenn Himmler ankäme, sie keine Schwierigkeiten machen würden, in den unterirdischen Auskleideraum hinabzusteigen. Weniger sicher war ich, soweit es das Hinüberwechseln vom Auskleideraum in den "Duschraum"
    betraf. Seitdem die Krematorien fertiggestellt waren, hatte ich mehrmals die Sonderaktion vornehmen lassen, und drei-oder viermal hatte ich in dem Augenblick, in dem die Menge in den "Duschraum"
    hineinströmte, eine lebhafte rückläufige Bewegung beobachtet, die man natürlich mit Kolbenstößen und indem man die Hunde losließ, zum Stillstand brachte. Das Ende der Herde hatte dann nach vorn gedrängt, Frauen und Kinder waren niedergetrampelt worden, und das Ganze war von Geschrei und Schlägen begleitet. Es wäre natürlich ärgerlich gewesen, wenn ein Zwischenfall dieser Art den Besuch des Reichsführers gestört hätte. Doch fühlte ich mich zunächst machtlos, ihm zu begegnen, denn ich sah nicht, worauf die rückläufige Bewegung zu schieben war, wenn nicht auf einen dunklen Instinkt, denn der "Duschraum"
    mit seinem mächtigen vorgetäuschten Röhrenwerk, seinen Abflußrinnen und den zahlreichen Brausen hatte durchaus nichts an sich, was Verdacht hätte erwecken können. Schließlich bestimmte ich, daß am Tage des Besuchs Himmlers die Scharführer zusammen mit den Juden in den Duschraum gehen und kleine Seifenstückchen verteilen sollten. Zugleich befahl ich den Dolmetschern, die Nachricht davon im Auskleideraum zu verbreiten, während die Häftlinge sich auszogen. Ich wußte sehr gut, daß für die Häftlinge das kleinste Stück Seife ein köstlicher Schatz war, und ich rechnete darauf, sie damit zu locken. Diese List war ein voller Erfolg. Sobald Himmler angekommen war, gingen Scharführer mit großen Kartons durch die Menge, die Dolmetscher schrien die Ankündigung in die Lautsprecher, ein Gemurmel der Befriedigung erhob sich, das Auskleiden geschah in Rekordzeit, und alle Juden eilten mit fröhlicher Geschäftigkeit in die Gaskammer . Die Scharführer gingen einer nach dem anderen heraus, sie zählten ab, und Pick schloß die schwere Eichentür. Ich fragte den Reichsführer, ob er durch das Guckfenster blicken wollte. Er nickte, ich trat beiseite, und in demselben Augenblick begannen die Schreie und die dumpfen Schläge gegen die Wände. Himmler sah auf seine Uhr, beschattete das Uhrglas mit der Hand und sah eine ganze Weile zu. Sein Gesicht war völlig teilnahmslos. Nach einiger Zeit gab er den Offizieren seines Gefolges ein Zeichen, daß sie auch durchschauen könnten. Darauf führte ich ihn in den Hof des Krematoriums und zeigte ihm die Betonkanäle, durch die die Kristalle hineingeworfen worden waren. Das Gefolge Himmlers kam dazu, ich nahm die ganze Gruppe in die Heizungsanlage mit und setzte meine Erklärungen fort. Nach einer Weile ertönte ein schrilles Klingeln, und ich sagte: "Das ist Pick, der den Ventilator verlangt, Reichsführer. Die Vergasung ist beendet."
    Der damit Beauftragte legte einen Hebel um, ein mächtiges dumpfes Brausen erschütterte die Luft, und Himmler sah von neuem auf die Uhr. Wir gingen wieder in die Gaskammer. Ich zeigte der Gruppe die Säulen aus durchlöchertem Blech, wobei ich nicht zu erwähnen vergaß, daß ich sie Pick verdankte. Häftlinge des Sonderkommandos in hohen Gummistiefeln leiteten mächtige Wassergüsse auf die Leichenhaufen. Ich erklärte Himmler den Grund dafür. Hinter meinem Rücken flüsterte ein Offizier des Gefolges spöttisch: "Na, da kriegen sie ja trotz allem noch eine Dusche."
    Man hörte unterdrücktes Lachen, Himmler wandte sich nicht um, und sein Gesicht blieb teilnahmslos. Wir gingen wieder ins Erdgeschoß hinauf, in den Teil, in dem sich die Öfen befanden. Gerade in diesem Augenblick kam der Aufzug Nr.

    2 an, und die Häftlinge des Sonderkommandos begannen, die Leichen

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