Der Tod ist mein Beruf
Lücks Bericht vorlesen."
Ich bemerkte, daß ich die Zigarette noch in der Hand hatte, es war mir peinlich, ich wandte mich ab und zerdrückte sie rasch im Aschenbecher. Ich las Lücks Bericht vor und wandte mich dann an Benz. "
Wie sehen Sie die Dinge, Benz?"
Benz blickte mich an. Es war klar, daß er mich verstanden hatte. "Meiner Meinung nach", sagte er langsam, "ist es ein Unfall."
"Aber wieso? ...Wieso? ..."
sagte Hagemann mit verstörter Miene. Benz wies mit dem Finger auf die Schnapsflasche. "Er hat ein bißchen zu sehr gefeiert. Er hat dann den Motor in Gang gesetzt. Die Kälte hat ihn überfallen, er hat eine plötzliche Ohnmacht gehabt und ist daraus nicht wieder aufgewacht."
"Aber ich verstehe nicht", sagte Hagemann keuchend, "für gewöhnlich trank er kaum etwas. .."
Benz zuckte die Achseln. "Sie brauchen ja bloß zu riechen."
"Aber wenn ich mir erlauben darf", sagte Hagemann keuchend, "da ist trotzdem noch etwas. ..etwas Sonderbares. ..Warum hat Setzler nicht einen Chauffeur gerufen, wie das sonst stets geschieht? Er hatte doch keinen Grund, den Motor selbst in Gang zu setzen. .."
Ich sagte schroff: "Sie wissen doch wohl, daß Setzler nichts wie andere Leute tat."
"Ja, ja", sagte Hagemann, "er war ein Künstler, sozusagen. .."
Er blickte mich an und sagte hastig: "Natürlich glaube ich auch, daß es ein Unfall ist."
Ich stand auf. "Ich beauftrage Sie, Frau Setzler nach Hause zu bringen und sie in Kenntnis zu setzen. Nehmen Sie das Auto! Benz, ich möchte Ihren Bericht gleich morgen früh haben, um ihn meinem beizufügen."
Benz stand auf und nickte. Sie gingen weg. Ich telefonierte ins Lazarett, sie sollten einen Krankenwagen schicken, setzte mich an den Schreibtisch und begann, meinen Bericht zu tippen. Sobald die Krankenträger die Leiche fortgebracht hatten, brannte ich mir eine Zigarette an, öffnete das Fenster ganz weit und fing wieder an zu tippen. Ein wenig später nahm ich den Hörer ab und rief Obersturmführer Pick in seiner Wohnung an. Eine Frauenstimme antwortete. Ich sagte: "Hier Sturmbannführer Lang. Könnten Sie Ihren Mann rufen, Frau Pick?"
Ich hörte das Geräusch, das der Hörer machte, als sie ihn auf den Tisch legte, dann das Geräusch von Schritten. Die Schritte verhallten, irgendwo klappte eine Tür, dann trat Stille ein; plötzlich sagte eine kalte, ruhige Stimme ganz nahe an meinem Ohr: "Obersturmführer Pick."
"Ich habe Sie doch nicht geweckt, Pick?"
"Keinesweg, Sturmbannführer. Wir sind eben nach Hause gekommen."
"Sie sind auf dem laufenden?"
"Ich bin auf dem laufenden, Sturmbannführer."
Ich fuhr fort: "Pick, ich erwarte Sie morgen früh um sieben in meinem Büro."
"Ich werde dort sein, Sturmbannführer."
Ich setzte noch hinzu: "Ich beabsichtige, Ihren Dienst zu ändern."
Es entstand ein Schweigen, und die Stimme erwiderte: "Zu Befehl, Sturmbannführer. "
Die zwei großen Zwillingskrematorien waren einige Tage vor der festgesetzten Frist fertig, und am 18. Juli 1942 kam der Reichsführer persönlich, um sie einzuweihen. Die Dienstwagen sollten um zwei Uhr nachmittags in Birkenau eintreffen. Um halb vier waren sie immer noch nicht da, und diese Verspätung hätte beinahe einen ernsten Zwischenfall entstehen lassen. Ich wünschte natürlich, daß die Sonderaktion in Gegenwart des Reichsführers ohne Anstoß abrollen sollte. Aus diesem Grunde hatte ich nicht die Untauglichen des Lagers als Patienten verwenden wollen. Sie waren in der Tat schwieriger zu behandeln als Lagerfremde, da die Bestimmung der Zwillingskrematorien ihnen jetzt wohl bekannt war. Ich hatte es mir also angelegen sein lassen, aus einem polnischen Getto einen Transport von zweitausend Juden kommen zu lassen. Dieser war kurz vor Mittag in ganz leidlichem Zustand angekommen, und ich hatte ihn unter Bewachung von SS-Männern mit Hunden im großen inneren Hof des Krematoriums I untergebracht. Zehn Minuten vor zwei Uhr hatte man den Juden angekündigt, daß sie ein Bad nehmen sollten, da aber der Reichsführer noch immer nicht kam und die Wartezeit sich hinauszog, wurden die Juden, denen die glühende Hitze im Hof sehr lästig war, nervös und unruhig, verlangten zu trinken und zu essen und fingen bald sogar an, sich zu erregen und zu schreien. Pick verlor seine Kaltblütigkeit nicht. Er rief mich an und hielt aus einem Fenster des Krematoriums mit Hilfe eines Dolmetschers eine Ansprache an die Menge. Er erklärte, daß der Kessel der Duschen entzwei sei und man dabei wäre, ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher