Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
nach ist es viel besser so."
    Wir kamen in sein Zimmer. Nach einem Weilchen hörten wir auf dem Korridor den Schritt der Frau Lippmann. Schrader ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Zuerst hörte man Lachen, knallende Geräusche und das bekannte Girren. Dann steigerte sich die Stimme der Frau Lippmann. Es war kein Girren mehr. Sie war kreischend und schneidend. "Nein! Nein! Nein! Das habe ich satt. Wenn ihr nicht innerhalb von acht Tagen Arbeit findet, muß dein Freund gehen."
    Ich hörte Schrader fluchen, und dann steigerte er seinerseits seine tiefe Stimme: "Dann gehe ich auch!"
    Darauf wurde es still. Frau Lippmann sprach lange und leise; dann brach sie plötzlich in ein hysterisches Lachen aus und rief mit gellender Stimme: "Also gut! Abgemacht, Herr Schrader, Sie ziehen aus!"
    Schrader kam ins Zimmer zurück und knallte die Tür zu. Er war rot im Gesicht, und seine Augen funkelten vor Zorn. Er setzte sich aufs Bett und sah mich an. "Weißt du, was die verdammte Hexe zu mir gesagt hat?"
    "Ich hab' es gehört."
    Er stand auf. "Dieses Luder!"
    sagte er mit erhobenen Armen. "Dieses Luder! Nicht einmal ihr Bauch ist dankbar."
    Dieser Scherz schockierte mich, und ich fühlte, daß ich errötete. Schrader sah mich von der Seite an, sein Gesicht hellte sich wieder auf, er zog sein Hemd aus, nahm seinen Rasierpinsel und begann, sich unter Pfeifen die Backen einzuseifen. Dann nahm er sein Rasiermesser und hielt seinen Ellenbogen genau in Höhe der Schultern. Er hörte auf zu pfeifen, und ich vernahm das beharrliche Kratzen der Klinge auf der Haut. Nach einer Minute drehte er sich um, mit hocherhobenem Pinsel. Sein Gesicht, mit Ausnahme der Nase und Augen, war ein einziger weißer Schaum, und er sagte: "Sag mal, du scheinst dich nicht viel um Frauen zu kümmern?"
    Darauf war ich nicht gefaßt, und ich sagte, ohne zu überlegen: "Nein."
    Sofort aber dachte ich ängstlich: 'Jetzt wird er mich sicher ausfragen.' "Warum?"
    sagte Schrader. Ich blickte weg. "Ich weiß nicht."
    Er fing von neuem an, den Schaum auf seinem Gesicht zu verteilen. "Ja, ja", sagte er, "aber du hast es trotzdem versucht, nicht wahr?"

    "Ja, einmal, in Damaskus."
    "Und?"
    Da ich nicht antwortete, fing er wieder an: "
    Wie sitzt du denn da auf deinem Stuhl! Wie ein toter Hering! Und siehst ins Leere! Antworte doch! Erzähle doch von dem einen Mal! Hat es dir Spaß gemacht, ja oder nein?"
    "Ja."
    "Na also."
    Ich gab mir einen Ruck und sagte: "Es hat mich nicht zur Wiederholung veranlaßt."
    Er erstarrte, den Rasierpinsel in der Hand. "Weshalb denn nicht? War sie unsympathisch?"
    ,,O nein."
    "Hatte sie einen Geruch an sich?"
    "Nein."
    "So sprich doch! War sie vielleicht nicht hübsch?"
    "Doch. ..ich glaube."
    "Du glaubst!"
    sagte Schrader lachend. Dann fuhr er fort: "Was ist denn schiefgegangen?"
    Ein Schweigen trat ein, dann wiederholte er: "Los, sprich doch!"
    "Na ja", sagte ich verlegen, "ich mußte mit ihr die ganze Zeit reden. Ich fand das ermüdend."
    Schrader sah mich an, machte ganz große Augen, sperrte den Mund auf und brach in ein Gelächter aus. "Herrgott!"
    sagte er. "Du bist doch ein komischer kleiner Hering, Rudolf."
    In mir flammte plötzlich Zorn auf, und ich sagte: "Schweig!"
    "Ach, du bist komisch, Rudolf", rief Schrader, noch lauter lachend, "und soll ich dir was sagen, Rudolf? Ich frage mich, ob du nicht besser getan hättest, trotz allem Priester zu werden."
    Ich schlug mit der Faust auf den Tisch und heulte auf: "Schweig!"
    Nach einer Weile drehte sich Schrader um, sein rechter Ellenbogen hob sich langsam, und durch die Stille erklang wieder das leise Kratzen.

    Frau Lippmann brauchte nicht die acht Tage abzuwarten, die sie uns Aufschub gewährt hatte. Zwei Tage nach unserer Entlassung stürmte Schrader ins Zimmer und schrie wie ein Verrückter: "Los, Mensch, los! Es werden Freiwillige für die Freikorps gesucht!"
    Drei Tage später verließen wir H., neu eingekleidet und mit Waffen ausgerüstet Frau Lippmann weinte sehr. Sie begleitete uns auf den. Bahnhof, sie schwenkte auf dem Bahnsteig ihr Taschentuch, und Schrader, der hinter dem Fenster des Abteils stand, sagte zwischen den Zähnen: "Sie war verrückt, aber sie war nicht übel."
    Ich saß auf der Bank, der Zug ruckte an, ich betrachtete meine Uniform und hatte das Gefühl, daß ich wieder zu leben anfing.

    Man wies uns an den Grenzschutz in W ., zur Abteilung Roßbach. Oberleutnant Roßbach gefiel uns. Er war hoch aufgeschossen, sein aschblondes Haar lichtete sich auf

Weitere Kostenlose Bücher