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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mit Hundegebell, zerriß die Luft. Ein Staubwirbel erhob sich, und die SS-Männer traten in Tätigkeit. Als die Ordnung wiederhergestellt war und der Staub sich gelegt hatte, konnte ich die Häftlinge besser sehen. Unter ihnen waren einige kräftige Männer, aber die Mehrzahl der Kolonne setzte sich aus Frauen und Kindern zusammen. Mehrere Jüdinnen trugen Babys auf dem Arm. Alle Häftlinge waren in Zivil, und keinem war das Haar abgeschnitten. "Eigentlich sollte man", sagte Schmolde leise, "mit diesen da keinen Ärger haben. Sie sind gerade erst angekommen."
    Die SS-Männer ordneten die Häftlinge zu fünfen. Schmolde machte eine leichte Bewegung mit der Hand und sagte: "Bitte, Sturmbannführer."
    Wir gingen wieder zu dem Gebüsch. Wir standen so etwas weiter weg, und das abschüssige Gelände erlaubte uns, die ganze Kolonne mit einem Blick zu überschauen. Zwei Hauptscharführer und ein Scharführer fingen an, die Häftlinge zu zählen. Der blonde Untersturmführer stand unbeweglich vor uns. Ein jüdischer Häftling in gestreifter Uniform und mit kahlrasiertem Schädel stand rechts von ihm etwas zurück. Am linken Arm trug er eine Armbinde. Einer der beiden Hauptscharführer kam herangelaufen, stand vor dem Untersturmführer stramm und rief: "Zweihundertvier."
    Der Untersturmführer sagte: "Lassen Sie die vier letzten heraustreten und führen Sie sie in die Baracken zurück!"
    Ich wandte mich an Schmolde: "Warum macht er das?"
    . Schmolde befeuchtete seine Lippen und sagte: "Um den anderen Vertrauen einzuflößen."
    "Dolmetscher", sagte der Untersturmführer. Der Häftling mit der Armbinde trat einen Schritt vor, stand stramm, und mit dem Gesicht der Kolonne zugewandt, rief er etwas auf polnisch. Die drei letzten Häftlinge (zwei Frauen und ein Mann mit einem verbeulten schwarzen Hut) trennten sich ohne Schwierigkeit aus der Kolonne. Der vierte war ein kleines Mädchen von etwa zehn Jahren. Ein Scharführer faßte sie beim Arm. Sofort stürzte eine Frau vor, riß sie ihm aus den Händen, preßte sie wild an sich und fing an zu schreien. Zwei SS-Männer gingen auf sie zu, und die ganze Kolonne fing an zu murren. Der Untersturmführer zögerte. "Laßt ihr das Kind!"
    rief Schmolde. Die beiden SS-Männer traten wieder ins Glied. Die Jüdin sah sie sich entfernen, ohne es zu verstehen. Sie hielt ihre Tochter noch immer umschlungen. "Dolmetscher", sagte Schmolde, "sagen Sie ihr, daß ihr der Kommandant erlaubt, ihre Tochter bei sich zu behalten. Der Häftling mit der Armbinde rief ihr einen langen polnischen Satz zu. Die Jüdin setzte ihr Kind zu Boden, sah mich an und sah Schmolde an. Dann erhellte ein Licht ihr düsteres Gesicht, und sie rief etwas zu uns herüber. "Was erzählt sie?"
    sagte Schmolde ungeduldig.

    Der Dolmetscher machte vorschriftsmäßig kehrt, zu uns her, und sagte in vollendetem Deutsch: "Sie sagt, daß Sie gut seien und daß sie Ihnen dankt."
    Schmolde zuckte die Achseln. Die drei Häftlinge, die in die Baracken zurückgeschickt wurden, kamen an uns vorbei, gefolgt von einem Scharführer. Die zwei Frauen gönnten uns keinen Blick. Der Mann sah uns an, zögerte, dann nahm er mit einer weit ausladenden, eindrucksvollen Geste den zerbeulten, schwarzen Hut ab. Zwei oder drei unter den Häftlingen lachten, und die SS-Männer stimmten ein. Schmolde beugte sich zu mir herüber . "Ich denke, alles wird gut gehen."
    Der Untersturmführer wandte sich mit gelangweilter Miene an den Dolmetscher: "Wie gewöhnlich."
    Der Dolmetscher trat einen Schritt vor, stand vor uns stramm und hielt eine lange Rede auf polnisch. Schmolde beugte sich zu mir herüber . "Er sagt ihnen, daß sie sich ausziehen und aus ihren Sachen ein Bündel machen sollen. Die Bündel würden zur Desinfektion geschickt und, bis sie ihnen wiedergegeben werden, die Häftlinge in der Baracke eingeschlossen."
    Sobald der Dolmetscher zu sprechen aufhörte, brach in der ganzen Kolonne Geschrei und Gemurr aus. Ich drehte mich zu Schmolde um und sah ihn an. Er schüttelte den Kopf. "Die normale Reaktion. Wenn sie nichts sagen, muß man vorsichtig sein."
    Der Untersturmführer gab dem Dolmetscher ein Zeichen. Er fing wieder an zu sprechen. Nach einer Weile begannen einige Frauen sich auszuziehen. Dann machten sich allmählich alle daran. Eine oder zwei Minuten verflossen, bis die Männer es ihnen gleichtaten, langsam und verschämt. Ein paar SS-Männer traten aus dem Glied und halfen die Kinder ausziehen. Ich blickte auf die Uhr. Es war halb drei. Ich

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