Der Tod ist mein Beruf
wandte mich zu Schmolde: "Würden Sie jemanden schicken, der den Obersturmführer Setzler holt?"
Ich fügte hinzu: "Er muß sich verlaufen haben."
Schmolde winkte einen Scharführer heran und beschrieb ihm Setzler. Der Scharführer rannte los. Geruch von Menschenfleisch, schwer und unangenehm, zog über den Hof. Die Häftlinge standen regungslos in der Sonne, unbeholfen und verlegen. Einige junge Mädchen waren innerhalb ihrer rassischen Eigenart recht hübsch. Der Untersturmführer gab ihnen den Befehl, in die Halle einzutreten, und versprach ihnen, die Fenster zu öffnen, wenn sie alle darin wären. Die Bewegung wurde langsam und in Ordnung ausgeführt.
Als der letzte Häftling hineingegangen war, schloß der Untersturmführer selbst die Eichentür und legte den Sperriegel vor. Sofort sah man mehrere Gesichter hinter dem Guckfenster. Setzler kam an, rot und schwitzend. Er stand stramm. "Zur Stelle, Sturmbannführer."
Ich sagte barsch: "Warum kommen Sie so spät?"
Schmoldes wegen setzte ich hinzu: "Haben Sie sich verlaufen?"
"Ich habe mich verlaufen, Sturmbannführer."
Ich winkte ab, und Setzler stellte sich links neben mich. Der Untersturmführer zog ein Pfeifchen aus der Tasche und pfiff zweimal. Es wurde still, dann lief irgendwo ein Automotor an. Die SS-Männer warfen nachlässig den Riemen ihrer Maschinenpistolen über die Schulter . "Bitte, Sturmbannführer", sagte Schmolde. Er ging voran, die SS-Männer entfernten sich, und wir gingen um das Gebäude herum. Setzler marschierte hinter mir her . Ein großer Lastwagen stand mit dem hinteren Teil ganz dicht an der Baracke. Ein Rohr, das am Auspuff befestigt war, stieg senkrecht hoch, machte dann einen Knick und führte in Höhe der Barackendecke ins Innere. Der Motor lief. "Das Auspuffgas", sagte Schmolde, "dringt durch die kleine Öffnung neben der mittleren Lampe in die Halle."
Er horchte einen Augenblick auf den Motor, runzelte die Stirn und ging zum Führerhaus. Ich folgte ihm. Ein SS-Mann saß am Lenkrad, eine Zigarette zwischen den Lippen. Als er Schmolde sah, nahm er die Zigarette aus dem Mund und beugte sich durch das Türfenster heraus. "Treten Sie doch nicht so sehr auf den Gashebel!"
sagte Schmolde. Die Umdrehungen des Motors verminderten sich. Schmolde wandte sich zu mir. "Sie treten immer ganz durch, um schneller fertig zu werden. Die Folge ist, daß sie die Patienten ersticken, statt sie einzuschläfern."
Ein unangenehmer fader Geruch schwebte in der Luft. Ich blickte mich um. Ich sah nichts als etwa zwanzig Häftlinge in gestreifter Uniform, in zwei Reihen aufgestellt, einige Meter vom Wagen entfernt. Sie waren jung, gut rasiert und schienen kräftig zu sein. "Das Sonderkommando", sagte Schmolde. "Es hat den Auftrag, die Toten zu beerdigen."
Einige waren blond und athletisch gebaut. Sie standen tadellos stramm. "Das sind Juden?"
"Gewiß."
Setzler beugte sich vor. "Und sie helfen Ihnen beim... Das erscheint kaum glaublich!"
Schmolde zuckte mit müdem Gesicht die Achseln. "Hier ist alles
möglich."
Und er wandte sich wieder an mich: "Bitte, Sturmbannführer. .."
Ich folgte ihm. Wir entfernten uns von dem Gebäude. Je weiter wir gingen, um so stärker wurde der Gestank. Nach etwa hundert Metern tat sich ein breiter und sehr tiefer Graben vor uns auf. Hunderte von Leichen waren in drei parallelen Reihen darin aufgeschichtet. Setzler schreckte zurück und drehte der eichengrube den Rücken zu. "Das schwerste Problem", sagte Schmolde in seinem gleichgültigen Ton, "ist das Leichenproblem. Wir werden bald keinen Platz mehr für Gräben haben. Deshalb müssen wir die Gräben sehr tief ausheben und mit dem Schließen warten, bis sie voll sind. Doch sogar so werde ich bald kein Gelände mehr dafür haben."
Er ließ seinen leeren Blick umherschweifen, verzog das Gesicht und fuhr entmutigt fort: "Die Leichen nehmen zuviel Platz weg."
Darauf entstand ein Schweigen, bis er sagte; "Bitte, Sturmbannführer. .."
Ich machte kehrt, ließ Schmolde einen kleinen Vorsprung und näherte mich Setzler. Sein Gesicht sah grau aus. Ich sagte scharf, aber leise: "Nehmen Sie sich bitte zusammen!"
Ich holte Schmolde wieder ein. Der Motor des Lastwagens summte leise. Als wir nahe an der Baracke waren, trat Schmolde ans Führerhaus, und der SS-Mann beugte sich zur Tür heraus. "Treten Sie jetzt durch!"
sagte Schmolde. Die Tourenzahl des Motors schwoll gewaltig an, und die Motorhaube fing an zu zittern. Wir gingen um das Gebäude herum. Es waren nur noch ein
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