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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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zu. Er war heute ganz besonders zufrieden mit sich und mit dem Classical Quarterly, in dessen Rezension des Werkes Modus und Tempus im Griechischen (J. J. Bradley, 204 S., £ 45,50, Classical Press) jene beglückenden Zeilen standen, die Bradley inzwischen auswendig kannte:
     
    Ein kleiner Band, der aber mit phantasiereichen Erkenntnissen über die Ursprünge der Sprache die unergründeten Geheimnisse des konjunktivischen Aorist auslotet.
     
    In der Tat: Ein erhebendes Gefühl.
    »Wie läuft’s denn so?« fragte er Donald Franks, einen kürzlich aus Cambridge abgeworbenen hochgewachsenen Astrophysiker, dessen düstere Miene ahnen ließ, daß ihm in dieser Woche nur wenige phantasiereiche Erkenntnisse über den Ursprung des Universums gekommen waren.
    »Leidlich.«
    »Und wer gefällt Ihnen am besten?«
    »Von den Frauen hier, meinen Sie?«
    »Als Kandidat für das Amt des Master.«
    »Weiß nicht.«
    »Für wen werden Sie stimmen?«
    »Ich denke, es ist eine geheime Wahl …«
    Gerade waren Mr. und Mrs. Denis Cornford hereingekommen. Beide griffen zu dem Medium Sherry. Shelly war sehr reizvoll, wenn auch vielleicht für diesen kühlen Abend ein wenig leicht gekleidet. Sie trug ein dünnes weißes Jackenkleid, und als sie sich vorbeugte, um nach einem Käsewürfel zu greifen, bot der tiefe Ausschnitt ihrer flaschengrünen Bluse bemerkenswerte Einblicke.
    »Du lieber Himmel«, sagte Bradley ehrfürchtig.
    »Sie merkt wohl gar nicht, was sie uns da zeigt«, murmelte der melancholische Franks.
    »Ich denke, sie weiß es ganz genau …«
    »Von mir aus auch das …«, sagte Franks leicht gekränkt.
    Bradley ging weiter. Am anderen Ende des Raums stand Angela Storrs im Gespräch mit einem kleinwüchsigen Priester in schwarzem Habit, Gamaschen und Schnallenschuhen.
    »Welche Freude, Jasper, darf ich Sie mit Father Dooley aus Sligo bekanntmachen?«
    Offenbar fand Angela Storrs, die einen anthrazitfarbenen Hosenanzug mit weißem Rollkragenpulli trug, daß sie damit ihrer Pflicht genügt hatte, denn sie verzog sich schnell. Das blasse Gesicht mit den hohen Wangenknochen, der strenge Nackenknoten – der Anblick hatte etwas fast Aristokratisches. Sie mußte früher eine sehr attraktive Frau gewesen sein, alterte aber vielleicht ein bißchen zu schnell, und gerade weil sie in den letzten zwei, drei Jahren fast nur lange Hosen trug, wollten die Gerüchte nicht verstummen, daß häßliche Krampfadern ihre Beine verunstalteten. Für einen arabischen Heiratsmarkt wäre, wie einer der jüngeren Hochschullehrer einmal unbarmherzig bemerkt hatte, ihr Verfallsdatum schon vor einigen Jahren abgelaufen gewesen.
    »Ich war vor vielen Jahren mit dem Master und seiner armen Frau recht gut bekannt«, bemerkte der kleine Priester nachdenklich.
    Bradley beeilte sich, eine ebenso gelehrte wie verständnisvolle Antwort an den Mann zu bringen.
    »Jaja, die Zeit vergeht … Tempora mutantur; et nos m u tamur in il lis .«
    »Ich glaube«, sagte der Priester, »es heißt Tempora m u tantur, nos et mutamur in il lis . Sonst kommt es bei dem Hexameter mit dem Rhythmus nicht hin.«
    »Ja, natürlich, da habe ich mich wohl vertan …«
    Der Hausdiener ersuchte nun höflichst die Herren Professoren – Ehefrauen – Partner – Gäste –, sich in den Speisesaal zu begeben. Und Jasper Bradley, anerkannte Autorität auf dem Gebiet des altgriechischen konjunktivischen Aorist, schloß sich empfindlich gekränkt den anderen an.
    Sir Clixby Bream, der die Nachhut sammelte, gab der direkt vor ihm stehenden Angela Storrs einen leichten Klaps aufs Hinterteil.
    »Du siehst heute abend hinreißend aus«, schwindelte er ihr leise ins Ohr. »Und soll ich dir noch was verraten? Ich würde viel lieber mit dir im Bett liegen, als mir einen dieser verdammten Gästeabende anzutun.«
    »Ich auch«, schwindelte sie mit gesenkter Stimme. »Darf ich dich um einen großen Gefallen bitten?«
    »Wir reden nach dem Portwein drüber.«
    » Vor dem Portwein, Clixby. Hinterher bist du doch meist schon voll.«
     
    Sir Clixby schwang sein Hämmerchen, brummelte das B e nedictus benedicat, und die Anwesenden nahmen ihre Plätze ein, wobei laut Tischordnung Julian Storrs und Denis Cornford an der schweren Eichentafel schräg gegenüber und ihre Frauen direkt vis-à-vis zu sitzen kamen.
    »Hinreißend, Ihr Anzug«, log Shelly Cornford in einem nicht unangenehm näselnden Yankee-Tonfall.
    »Sie sehen aber auch wunderbar aus«, log Angela Storrs und stellte in einem liebenswürdigen

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