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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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was tun, Sir?«
    »Holen Sie mir doch bitte den Independent on Sunday . Und eine Schachtel Dunhill.«
    »Meinen Sie, daß …« Lewis unterbrach sich und wartete, bis Morse widerwillig eine Fünf-Pfund-Note aus der Brieftasche gezogen hatte.
    In den nächsten Minuten bemerkte Morse, daß sein Hirn noch immer frustriert und unproduktiv war. Und da war noch etwas. Aus unerfindlichen Gründen und schon seit geraumer Zeit hatte er das Gefühl, in dem Fall (den Fällen!) einen wichtigen Hinweis übersehen zu haben – so als habe er im Hochgeschwindigkeitszug während der Fahrt beinah den Namen des Bahnhofs erkannt, der peinigend dicht am Abteilfenster vorübergehuscht war.
    Fünf Minuten später kam Lewis mit den Zigaretten wieder, die Morse ungeöffnet in die Jackentasche steckte, und mit der Zeitung, die Morse bis zum Cryptic Crossword durchblätterte. Er peilte 1 waagerecht an: »Show-Dahlien im indischen Pavillon (6)« und schrieb unverzüglich hin: » HOW-DAH . «
    »Verzeihen Sie, Sir – wie sind Sie so schnell darauf gekommen?«
    »Ganz einfach: Die Buchstaben sind irgendwo in einem Wort verborgen, aber in ihrer richtigen Reihenfolge. Versteckrätsel nennt man das.«
    »Ah ja.« Ausnahmsweise leuchtete Lewis die Sache ein. »Soll ich noch zwei, drei Minuten weggehen, bis Sie fertig sind?«
    »Nein, dazu brauche ich mindestens fünf. Und es wird Zeit, daß Sie sich zu mir setzen und mich auf den neuesten Stand bringen.«
    Den toten Owens hatte Morse bereits besichtigt, und zwar so kurz wie möglich. Die Leiche lehnte an den Kissen der Wohnzimmercouch, deren grüne Polster blutgetränkt waren. Owens war unrasiert, das lange Haar fiel ihm offen bis auf die Schultern, die Augen waren weit, wie ungläubig geöffnet, die Brust von zwei Schüssen zerfetzt. Er war zwischen vier und sechs Stunden tot, so weit hatte Dr. Laura Hobson sich bereits festgelegt. Die Spanne war kleiner, als Morse erwartet hatte, aber größer, als ihm lieb war. Der Tod war mit größter Wahrscheinlichkeit augenblicklich eingetreten. Nichts deutete auf ein gewaltsames Eindringen hin; die Haustür war verschlossen und verriegelt, nur der Riegel an der Hintertür war nicht von innen vorgelegt. Auf dem Sims über dem Kamin, in dem die nicht eingeschaltete Elektroheizung stand, war ein kleines Rechteck zu erkennen, das frei von dem sonst allgegenwärtigen Staub war.
    Die Leiche wäre höchstwahrscheinlich an diesem Tag nicht entdeckt worden, wenn sich nicht John Benson, seines Zeichens Kfz-Mechaniker bei Hartwell’s Motors, mit einigen kleineren Reparaturen an Owens’ Wagen ein steuerfreies Zubrot hätte verdienen wollen. Als er um Viertel nach elf gekommen war, schien niemand zu Hause zu sein. Schließlich hatte er durch das vordere Fenster geschaut, dessen Vorhänge nicht zugezogen waren, und ein paarmal laut an die Scheibe geklopft, als er Owens schlafend auf dem Sofa hatte liegen sehen.
    Allmählich aber dämmerte ihm, daß der Mann nicht schlief, und um 11.30 Uhr hatte er von der Telefonzelle an der Einfahrt aus den Notruf 999 verständigt.
    In der Zeit zwischen sieben und acht war niemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Vielleicht ergab sich ja noch das eine oder andere, wenn die Beamten später von Haus zu Haus gingen, allerdings beurteilte Morse diese Möglichkeit begreiflicherweise (wenn auch, wie sich herausstellen sollte, irrigerweise) eher pessimistisch. Am Sonntagmorgen zog es abgesehen von Hundebesitzern und schlaflosen Mitmenschen nicht viele Leute auf die Straße. Für erstere war, wenn man nach den Schildern an den Laternenpfählen gehen durfte, die vor der Verschmutzung von Rasenstreifen und Fußwegen warnten, ein Spaziergang mit ihrem Liebling in dieser Gegend nicht sehr ratsam, von letzteren (wenn es sie gab) hatte sich noch keiner gemeldet und berichtet, daß er fremde Personen gesehen oder Schüsse gehört hatte.
    Nein, auf den ersten Blick handelte es sich um einen typisch dösigen Sonntag, den die Bewohner des Bloxham Drive normalerweise zum Ausschlafen nutzten, um später in aller Ruhe aufzustehen, im Morgenmantel im Haus herumzugammeln, sich vielleicht ein Ei zu kochen und im Boulevardblatt von den neuesten Eskapaden der Reichen und Schönen zu lesen.
    Einer aber war nicht mehr dazu gekommen, seine Sonntagszeitung zu studieren, denn die News of the World lag zusammengefaltet auf der Fußmatte an der Innenseite der Tür von Nummer 15, und kaum einer der anderen Anwohner konnte sich jetzt noch unbeschwert der

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