Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Verlagsleiter Voelkel und der Wohnungseigentümer Schintzel. Obermeister Schütte fühlte sich unsicher. Die Verstorbene war erst „seine" fünfte oder sechste „Leiche", sein diesbezüglicher Erfahrungsschatz daher gering. Er zog vorsorglich den erfahreneren Kriminalhauptmeister Heuer hinzu. Die Kriminalbeamten, von Reichtum und Bekanntenkreis der Verstorbenen beeindruckt, fanden nichts Verdächtiges an der Fundsituation. Ihnen schien alles nach einem plötzlichen, natürlichen Tod der Witwe auszusehen. Deshalb verzichteten sie auf eine gründliche Durchsuchung der Wohnung und begnügten sich mit einer oberflächlichen Befragung der Anwesenden. Der vorgeschriebenen Ordnung halber wurde die Leiche jedoch zur Obduktion überwiesen und der Wohnungsschlüssel in Verwahrung genommen. Doch das war in diesem Falle mehr formaler Akt als kriminalistische Umsicht, denn als wenige Tage später Baron de Juniac nach Braunschweig kam, ließ ihn Kriminalhauptmeister Heuer entgegenkommend die Papiere der Verstorbenen sichten, einige Fotografien und sogar eine goldfarbene Kette aus der Wohnung mitnehmen. Der leutselige Kriminalbeamte verlangte nicht einmal eine Quittung.
Erst am 2. November wurde Braunschweigs Kriminalpolizei amtlich. Da ging nämlich der Obduktionsbefund ein, und der sprach von Würgegriffen am Hals der Toten, von Quetschungen im Gesicht und an den Armen und von Brüchen des Zungenbeins und des Kehlkopfes. Zur Todeszeit wollten sich die Obduzenten nicht festlegen, weil angesichts der hohen Zimmertemperatur der Zersetzungsprozeß weiter fortgeschritten war als üblich. Das Gutachten stellte aber kategorisch fest, daß Frau Eckensberger ermordet worden war. Zwischen ihr und dem Täter mußte es ein Handgemenge gegeben haben.
Die Braunschweiger Mordkommission veranlaßte sofort eine gründliche Untersuchung des Tatortes, doch sofern es dort jemals brauchbare Spuren gab, waren sie mittlerweile vernichtet.
Manches an diesem Fall war rätselhaft. Schon die Frage, wie der Mörder in die im dritten Stock gelegene Wohnung gelangen konnte, mußte zunächst offenbleiben. Frau Eckensberger war Fremden gegenüber stets mißtrauisch gewesen, ihre Wohnungstür daher ständig abgeschlossen und zusätzlich verriegelt. Jeder Besucher, auch ihre Bekannten, mußten sich zunächst über die Sprechanlage melden und sich dann nochmals an der Wohnungstür zu erkennen geben, ehe sie eingelassen wurden. War die Wohnungstür auch am Tattage verriegelt gewesen, hatte die Witwe also dem Mörder die Tür selbst geöffnet. Dann aber war der Täter im Bekanntenkreis zu suchen. War die Tür nicht verriegelt, konnte er mit einem Nachschlüssel eingedrungen sein.
Merkwürdig schien auch, daß die Tote mit einem Straßenkleid bekleidet war. Die letzten Wochen hatte die Witwe zu Hause fast ausschließlich einen Morgenrock getragen, und zwar selbst dann.
wenn sie Besuch empfing oder geschäftliche Unterredungen führte. Warum also war sie ausgerechnet an ihrem Todestag von dieser Gewohnheit abgegangen? Oder wollte sie gerade das Haus verlassen? Hatte irgendwer sie gar aus dem Haus locken wollen? Hatte John sie vielleicht zu einem Rendezvous bestellt? Eigenartig war ferner, daß der Täter zwar zwei kostbare Platinringe mitgenommen hatte, die die Verstorbene stets trug und die etwa 650000DM kosteten, jedoch ein viel wertvolleres Diamantarmband mit einem Preis von etwa vier Millionen D-Mark zurückließ. Und schließlich war auch das Verhalten von Henning Voigt unverständlich. Dreimal hatte er mit dem Verlagsleiter Voelkel wegen seiner Verabredung mit der Witwe telefoniert, um beim letzten Mal ausdrücklich sein Kommen anzusagen. Dann aber erschien er doch nicht. Wußte Henning Voigt etwa am Montagmorgen schon, also früher als alle anderen, daß die Witwe nicht mehr lebte?
Rätsel über Rätsel also im Fall Eckensberger, und die Kripo hatte es wahrlich nicht leicht. Im Nu gab es 68 Spurenbände mit Tat- und Täterhinweisen, mehrere Dutzend Personen, die als Zeugen vernommen werden mußten, und immer wieder neue Ungereimtheiten. Hinsichtlich des Barons de Juniac bedurfte es sogar der Amtshilfe von Scotland Yard, weil der Baron nicht zur Vernehmung in die BRD kommen wollte. Einer der Spurenbände betraf die Familie Voigt, die bekanntlich den größten Nutzen vom Tod der Witwe hatte, fielen ihr doch für ein Trinkgeld die millionenschweren Anteile an der „Braunschweiger Zeitung" zu.
Während die Kriminalpolizei in Braunschweig an den
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