Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Er verdiente damit durchschnittlich 700 DM netto im Monat und wurde nie erwischt. Nach außen hin gab er sich als Makler für die Kiesfirma Lüssen in Bremen aus. Hier war sein Pflegevater angestellt, der mit seiner Familie eine Baracke im Wäldchen von Drakenburg bewohnte und als Sprengmeister arbeitete. Seinen Eltern, denen er das Maklermärchen nicht auftischen konnte, täuschte Halacz zur Rechtfertigung seiner Finanzlage einen seriösen Schrotthandel und ein Verhältnis mit einer reichen Freundin vor.
Dieser Halacz hatte den Kopf stets voller großer Rosinen. Einmal entschloß er sich, Journalist zu werden, und verfaßte eilig ein halbes Dutzend Manuskripte und Reportagen. Um sich schnell einen Namen als Reporter zu machen, richtete er auf der Chaussee von Hannover nach Bremen sogar eine Autofalle ein. Über die so provozierten Unfälle wollte er Fotoreportagen machen. Im Februar 1951 gründete er, der seit langem vom amerikanischen Multimillionär Henry Ford und vom FBI schwärmte, einen amerikanischen Kulturklub. Davor hatte er im Cafe Perdoni zu Nienburg bereits einen Schachklub gegründet. Seiner Freundin erzählte er rührselige Geschichten aus seiner Zeit als „Tellerwäscher" in den USA und behauptete sogar, er werde sehr bald in Nienburg ein Schallplattengeschäft eröffnen. Ja, er war schon ein merkwürdiger Kauz, dieser „Graf" von Halacz, den in Nienburg und Umgebung beinahe jeder kannte.
Bekannt war auch, daß er als Pflegesohn des Sprengmeisters Keese Sprengstoff besorgen konnte. Daher waren der „Sonderkommission S" über Halacz mehrere Hinweise zugegangen. Einige behaupteten sogar, die Personenbeschreibung des vermutlichen Täters, die die Polizei mittlerweile auf Grund mehrerer Zeugenaussagen zusammengestellt und veröffentlicht hatte, träfe auf Halacz zu. Im Postamt in Nienburg und in einem Bremer Postamt hatte die Kriminalpolizei mehrere Personen ermittelt, die einen Mann beobachtet hatten, der rollenförmige Pakete aufgab. In Bremen aber waren die Pakete an Mayntz und Höing abgeschickt worden.
Auch die Presse war inzwischen nicht stumm geblieben. Die „Bremer Nachrichten" stellten auf eigene Faust Ermittlungen nach dem Täter an. In der Redaktion war eigens zu diesem Zwecke ein spezieller Fahndungsstab gebildet worden. Fünf Tage nach den Bombenattentaten, am 4. Dezember, fuhren Journalisten des Blattes nach Verden. Dort ermittelten sie einen gewissen Schlasius, der zufällig jenen Mann genauer beobachtet hatte, der das verhängnisvolle Paket an Dr. Wolfard aufgegeben hatte. Schlasius gab den Journalisten einen frappierenden Tip. Der mutmaßliche Täter hatte sehr große Ähnlichkeit mit einem Bauern aus Rieda, nur wäre der älter und hätte kein so „städtisches" Gesicht.
Zeichner der „Bremer Nachrichten" suchten jenen Bauern in Rieda auf und porträtierten ihn. Die Porträtskizze, mit Hilfe von Schlasius und drei weiterer Zeugen korrigiert, sollte zusammen mit einer ausführlichen Personenbeschreibung am nächsten Tag, am 5. Dezember 1951 also, auf dem Titelblatt der „Bremer
Nachrichten" veröffentlicht werden. Die ,.Sonderkommission S" hatte jedoch Bedenken. Am 5. Dezember war die Beerdigung von Dr. Wolfard. Die Kriminalpolizei wollte, dem uralten kriminalistischen Aberglauben folgend, daß es den Mörder zur Beerdigung seines Opfers auf den Friedhof treibe, das Begräbnis überwachen. Die Kripo befürchtete nun, daß der Täter vergrämt werden könnte, wenn er beim morgendlichen Zeitungsstudium sein Konterfei in der Presse entdeckte.
Die Kripo hatte zwar zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei konkreten Verdacht, und es bleibt daher unklar, woran sie den Täter in der Masse der Trauergäste hätte erkennen wollen, doch was zählen schon sachliche Argumente gegen die vorgefaßte Meinung von Polizisten!
Fast schien es, als behielten die abergläubischen Fahnder recht. Auf dem Friedhof tauchte nämlich ein Mann auf, der ebenso angezogen war wie der Paketaufgeber in Nienburg und Bremen. Als die Kriminalbeamten frohlockten und hart zupackten, entpuppte sich dieser Mann als Witzbold. Ein Journalist hatte sich so kostümiert, um die Wachsamkeit der Kriminalpolizei zu testen.
Am 6. Dezember wurden Täterskizze und Steckbrief veröffentlicht. Chefredakteur Prüssner von der Nienburger Kreiszeitung „Harke" erblickte bei der täglichen Pressedurchsicht das Bild sowie die Beschreibung und griff sofort zum Telefon.
So erfuhr die „Sonderkommission S", daß der gesuchte
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