Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
hielt knapp 100 Meter weiter an einer Bahnschranke ein schwarzer Adler Triumph Junior, in dem ein junger Mann und ein Mädchen darauf warteten, daß sich die Schranke öffnet. Als ein Passant vorüberkam, beugte sich der junge Mann aus dem Wagen und fragte: „War die Detonation stark? Ist jemandem etwas passiert?"
Der Schalterraum des Postamtes Eystrup nach der Bonibenexplosion
Der Passant wußte es nicht, doch der Wagen und seine Insassen kamen ihm verdächtig vor. Deshalb merkte er sich vorsorglich die Autonummer FB - 21 44 26 und teilte sie unverzüglich der Polizei mit.
Die Kriminalpolizei von Verden leitete die Fahndung nach dem Adler Triumph ein. Mittags verbreitete die Deutsche Presseagentur die Meldung, daß auf das Postamt Eystrup ein Sprengstoffanschlag verübt wurde, der offenbar den Raub der dort auszahlungsbereit lagernden Rentengelder zum Ziel hatte. Gleichzeitig wurde die Beschreibung des Adler Triumph und seiner Insassen durchgegeben und die Bevölkerung zur Mitfahndung aufgerufen.
Just zu dieser Stunde betrachtete der Besitzer der Kraftfuhrwerke Niedersachsen in Verden an der Aller, Anton Höing, mißtrauisch eine Papprolle, die ihm mit der Vormittagspost zugestellt worden war. Sie trug den Vermerk „Nur vom Empfänger persönlich zu öffnen" und war daher verschlossen auf seinem Schreibtisch gelandet.
Vorsichtig lüftete Höing den Deckel der Papprolle an, genau um 23,5 Millimeter, wie der Sprengstoffexperte später feststellte.
Und weil er glaubte, irgendein Witzbold hätte ihm einen Scherzartikel geschickt, ließ er das Paket ungeöffnet in den Keller bringen.
Wäre der Fuhrunternehmer weniger vorsichtig gewesen und hätte er den Deckel nur um anderthalb Millimeter weiter geöffnet, hätte er dasselbe Schicksal erlitten wie Margret Grünklee. Die Höllenmaschine, deren Abzugzünder auf 25 Millimeter eingestellt war, wäre explodiert. Höing war also nur um Millimeterbreite dem Tode entgangen.
Weniger vorsichtig verhielt sich der Chefredakteur der „Bremer Nachrichten", Dr. Adolf Wolfard. Am 29. November saß er, nur knapp 30 Kilometer Luftlinie von Verden entfernt, in seinem Bremer Büro dem Feuilletonredakteur Dr. Wien gegenüber. Es war genau 13 Uhr 10, als Dr. Wolfard ein längliches, rollenförmiges Paket in die Hand nahm, das mit der Vormittagspost angekommen, aber noch immer ungeöffnet war. Aufmerksam studierte er den Vermerk „Nur vom Empfänger persönlich zu öffnen" sowie den Pfeil zur Verschlußkappe.
„Sieht nach einer Flasche Schnaps aus", meinte Dr. Wien, der seinen Chef beobachtet hatte.
„Na, wollen mal sehen", erwiderte Wolfard und riß die Verschlußkappe ab. In diesem Moment schoß ein meterlanger Feuerstrahl aus dem Paket, das mit einem gewaltigen Knall zersprang und Dr. Wolfard die Brust zerfetzte. Das Zimmer füllte sich im Nu mit ätzendem Qualm, die Fensterscheiben zerbrachen, und die Tür flog auf. Dr. Wien wurde von der Druckwelle zurückgeschleudert, jedoch nicht verletzt.
Im Druckereigebäude, in dem sich Wolfards Büro befand, begannen die Menschen kopflos umherzurennen und nach dem Arzt, der Polizei und der Feuerwehr zu schreien. Vor dem Hause sammelte sich rasch eine große Schar Neugieriger. Fotoreporter Leonhard Kuli von den „Bremer Nachrichten" schoß pflichteifrig Dutzende Fotos von Tatort und Zuschauern. Schon fünfzehn Minuten später jagte die Redaktion der Zeitung ein dringendes Fernschreiben an alle Zeitungsredaktionen der BRD heraus: „Achtung, Höllenmaschine unterwegs!"
Die Bombenanschläge lösten unter der Bevölkerung eine regelrechte Angstpsychose aus.
Auch die Kriminalpolizei war verwirrt. Es waren die ersten
Bombenanschläge in der BRD, der Polizei mangelte es folglich
an einschlägigen Erfahrungen. Und zu alldem gab es auch noch
Kompetenzschwierigkeiten. Die Anschläge im Postamt Eystrup
und in Verden fielen in den Amtsbereich der niedersächsischen,
der Anschlag auf Dr. Wolfard in den der Bremer Kriminalpolizei.
Es war klar, daß zwischen den drei Verbrechen ein Zusam-
menhang bestand. Welche Dienststelle aber sollte die Federführung übernehmen? Bei der BRD-Kripo tat man sich in solchen Fragen schwer. Die Kriminalpolizei von Verden, die sich schon unmittelbar am Ziel glaubte, wollte den Aufklärungstriumph möglichst für sich allein haben.
Am 30. November hatten sich nämlich der 24jährige Student Wolfgang Gräfe und seine Kommilitonin Eleonore Baser aus Baden-Baden bei der Kriminalpolizei gemeldet. Sie waren die
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