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Der Tod kann mich nicht mehr überraschen

Der Tod kann mich nicht mehr überraschen

Titel: Der Tod kann mich nicht mehr überraschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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nicht mit. Ist das alles jetzt?«
Marvin nickte. Karl erwartete sie an der Tür.
Wieder alleine zerdrückte Marvin das Geld in seiner Faust. Er fühlte sich gereizt. Warum, wusste er nicht. Es ging ihm nicht gut. Irgendetwas störte ihn, etwas anderes als Wehmut. Nur konnte er nicht ausmachen, was.
Nun besaß er aber wenigstens Geld genug, Lisa ein kleines Geschenk zu besorgen. Früher, als sie noch nicht gearbeitet hatte, war er es gewesen, der ihr Geld in die Hand gedrückt hatte. Doch wo sollte er nun etwas Vernünftiges kaufen? Im Krankenhauskiosk gab es nur Zeitschriften und Süßigkeiten; nichts, was man zu einem vierzigsten Geburtstag verschenken konnte.
Er musste raus, nach draußen, in ein Geschäft, um etwas Ansprechendes zu finden. Auf keinen Fall wollte er sie enttäuschen.

Karls Ratschlag war klug gewesen, doch er war nicht das, was Marvin hatte hören wollen. Blödsinnig, sich erst von jemandem einen Rat zu holen, um ihn dann zu ignorieren. Gewiss! Dennoch fühlte sich Marvin innerlich gedrängt, diesen Anruf noch einmal zu versuchen. Wahrscheinlich würde sowieso wieder niemand abnehmen und seine Sorge bedeutungslos sein. Also wählte er erneut André Hausners Telefonnummer; mehr mechanisch, als bewusst.
Plötzlich knackte es im Telefonhörer.
Es erklang eine männliche müde Stimme. Eine Stimme, so nüchtern, wie wenn jemand alle Gefühle und alle Lebenslust an einen Garderobenhaken gehängt hätte. Eine Stimme ohne Verständnis für unnütze Anrufe.
»Hausner.«
Sofort bemerkte Marvin, wie unvorbereitet er war. Und jetzt? Blitzartig überlegte er, ob seine Nummer über das Display des Telefons übertragen würde. Sollte er einfach auflegen? Er erinnerte sich an die Spaßanrufe bei fremden Leuten aus seiner Kindheit. Nein, auflegen ging gar nicht.
»Spreche ich mit André Hausner?«
»Mein Sohn ist verstorben. Was wollen Sie? Sie haben doch schon einmal angerufen!«
Marvin spürte plötzlich den zitternden Atem eines alten Mannes durch das Telefon.
»Tut mir leid, verwählt!«
Er legte auf, mit rotem Kopf.
Sollte er sagen: ›Ihr Sohn ist ermordet worden! Hier im Krankenhaus. Erstickt unter einem gelben Kissen!‹? Nein – Karl hatte recht. Wahrscheinlich würde ihm sowieso niemand glauben. Doch er deutete André Hausners tatsächliche Existenz und dessen offensichtlichen Tod als Beweis für ein ungeheuerliches Verbrechen in diesem Krankenhaus.
Am Mittag noch entschied er sich für einen Ausflug in das nahe gelegene Einkaufsviertel, wo er etwas für Lisas Geburtstag finden wollte. Es wurde sowieso höchste Zeit, dass er herauskam aus dem stinkigen Zimmer. Zu warten, bis irgendjemand so freundlich war, ihm etwas mitzubringen, schien ihm zeitlich zu riskant. Die paar Schritte würden auch ohne Rollstuhl und ohne Begleitung klappen. Schließlich war er vor ein paar Wochen zu Fuß hier hereingekommen und genau so wollte er auch hinausgehen. Und außerdem, wozu gab es Taxen?
Nach dem Mittagessen, als er sicherging, dass keine Untersuchung anstand, fummelte er sich seine Jacke über. Das Anziehen dauerte ewig, aber er schaffte es alleine und blickte sich im menschenleeren Zimmer um, als ob er damit angeben wollte. Den linken Ärmel hängte er lose über seine Schulter und dann stahl er sich über den Gang. Die Schwestern hatten Übergabe, sodass nahezu alle zusammensaßen und keine ihn bemerkte, wie er vollkommen auffällig über den langen Flur in Richtung Fahrstuhl humpelte. Bereits nach wenigen ungelenken Schritten musste er verschnaufen. Marvin ahnte, dass sein Vorhaben mehr Kräfte fordern könnte, als erwartet. Trotzdem wollte er es wagen. Er wollte raus hier. Schritt für Schritt kam er voran. Ewigkeiten später erreichte er den Fahrstuhl.
Als er gerade eintreten wollte, kam Schwester Sabine heraus. Marvin erschrak.
»Nanu? Alleine unterwegs?«
»Zur Cafeteria!«, log er.
»Dann nehmen Sie doch wenigstens eine Gehhilfe mit!«
Sie griff unter seinen Arm, zog ihn vom Fahrstuhl weg und stellte ihn am Fenster ab. Ärgerlich, jetzt musste er diese Meter noch einmal hinter sich bringen, pure Zeit- und Kraftverschwendung. Doch Marvin ließ es zu, um nicht aufzufallen. So unsicher, wie er auf den Beinen war, konnte er sich sowieso nicht gegen Sabines aufdringliche Unterstützung wehren. Er wollte ihr auch keinen Anlass geben, an seinem Ausflug zur Cafeteria zu zweifeln.
Kurz darauf brachte sie ihm eine Unterarmstütze und ließ ihn unsinnige Gehübungen damit vormachen, sodass der Fahrstuhl

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