Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Toten gekannt oder gar Gschäfterl mit ihm gemacht haben. Kann man nachvollziehen. Selbst die Verbindungsdaten seines Handys: Alles belangloser Firlefanz – außer natürlich Sandners Drohung auf der Mailbox. Bestimmt Wenzels Soundtrack zum Einschlafen. Der Yilmaz hatte mit Sicherheit diverse SIM-Karten, die wurden bei ihm aber nicht gefunden. Mochte sein, der Mörder hat sie längst in die Isar geschnipst.
Der Sandner wollte den Indianer nicht in die Scheiße reiten und hat darauf spekuliert, dass die Drogen in Yilmaz’ Wohnung gefunden werden. Altruistischer Gedanke. Aber Bescherung ist halt nur einmal im Jahr. Der Hauptkommissar möchte immer das Christkind geben, und sie kriegt die Rolle des Esels im Stall.
Ihre Augen funkeln den Wenzel an. Wer genau hinsähe, könnte Flammen drin erkennen. Der Staatsanwalt steht nur stellvertretend für den ganzen Schlamassel. Deppertes Mannsbild halt. Wenn sie könnte, würde sie Blitze schleudern und hinterher das Wenzelsche Aschehäufchen in den Eimer kehren.
Ihr Gegenüber schnuppert kurz. Kein Schwefel. Das wäre heute das passende Parfum. Noch Fragen? Der Mann macht einen Schritt zurück. Eine Spur Unsicherheit im Blick. Scheint ein Gedankenleser zu sein. Er verschanzt sich hinter Sandners verwaistem Tisch. Beware of the dog! Der ist heute blond und bissig. Irgendwann ist Schicht im Schacht.
»Machen Sie Ihre Arbeit«, zischt er, »aber machen Sie die vorschriftsmäßig und bringen Sie endlich Ergebnisse.« Er dreht sich um und schreitet zur Tür. Dort wendet er noch einmal theatralisch auf den Hacken. »Und – wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf«, sagt er, mit dem Zeigefinger auf sie weisend. »Arbeiten Sie an Ihrer Beherrschung. Und wenn Sie mir noch einmal ans Bein pinkeln, wird das übel enden. Für Sie. Ich vertrete die Staatsanwaltschaft – vergessen Sie das nicht. Ich will, genau wie Sie, dass Brauners Mutter lebend wieder auftaucht. Das können Sie mir glauben. Ich kann nicht verstehen, dass der Polizeirat bis morgen warten will, um endlich vernünftige Schritte einzuleiten. Das ist ein Fehler! Wenn die Frau stirbt, ist das Ihre alleinige Verantwortung.« Diesmal verschwindet er nicht lautlos. Er schmeißt die Tür ins Schloss. Eine Neuerung im Verhaltensrepertoire.
Die Wiesner sinkt wieder auf ihren Schreibtischstuhl. Wenn die Frau stirbt! Der macht es sich einfach, der Wenzel. Wenn sie die Brauner befreien, schreibt er es sich auf die Fahnen. Wenn nicht, ist er auch fein raus. Er hätte es ja gleich gesagt. Wahrscheinlich schreibt er Aktennotizen, bis die Finger bluten.
Sie müsste jetzt Hof halten und das Zepter schwingen. Leitende Ermittelnde. Die Fäden in der Hand behalten, die Ermittlungsergebnisse sondieren, Aufträge erteilen. Schließlich ist sie dafür in die Hansastraße geeilt.
Im Moment hat der Wenzel die klaren Gedanken verjagt. Sie sind zur Tür hinaus und auf und davon. Sie wieder einzufangen fehlt ihr aktuell die Muße. Sie muss darauf vertrauen, dass die eingesetzten Beamten gründlich ihren Job machen. Sie muss darauf vertrauen, dass die beiden Jugendlichen lebendig wieder auftauchen. Und sie muss drauf vertrauen, dass der Sandner nicht abhaust im Harthof wie ein durchgeknallter Höhlentroll.
» T roll saß allein auf einem Stein«, lässt Tolkien seinem Sam im Trolllied singen. Der Sandner sitzt auf der Holzbank. Bei seinem Forellenwirt. Allein ist er auch nicht, nur seine Gedanken. Der Schluss des Liedes wäre nach seinem Geschmack: »Sein Rückenteil blieb leider ganz heil. Und den Knochen hat er behalten.« So in der Art stellt er sich das vor. Wobei es sich in seinem Fall um metaphorische Knochen handelt. Sein Rückenteil hat zumindest Chingachgooks Matratzenattrappe überlebt.
Der Hartinger ist auf der Hut. Die Wirtschaft im Harthof ist zwielichtig genug, und Sandners Einladung zum Brunch gibt ihm zu denken. Wenn der großzügig ist, führt er etwas im Schilde. Der Hauptkommissar scheint die Ruhe selbst zu sein. Noch bevor der Hartinger mit dem Essen begonnen hatte, hat der Jonny Entwarnung gegeben. Anruf vom Brauner. In fünf Minuten solle er ihn wieder abholen. Er wäre im Tal der Ahnungslosen gelandet. Die Scharlatane würden Schmarrn verzapfen, und das Pflegepersonal wäre nur dazu da, ihn zu drangsalieren. Wenn er kein Blutbad wolle, soll er sich beeilen. Sie hätten ihm bereits so viel Flüssigkeit abgezapft, dass er glaubte, sie würden den mittelalterlichen Spuk des »Zur-Ader-Lassens« praktizieren, die
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