Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
kaut.
»Fahrst halt ins Krankenhaus«, ist ihr Kommentar gewesen, »selbst wenn wir wissen, ob der Fleischfetzen von der Brauner ist, können wir nur weitermachen wie bisher, oder?«
»Wie bisher? Ich weiß nicht. Ich hätt nicht geglaubt, dass sie der Alten wirklich was tun. So leicht schneidest du doch nicht an den Leuten herum. Viel wert scheint ihnen die Frau nicht zu sein.«
»Die hatten Brauners Adresse.«
»Vielleicht beobachten die auch sein Haus.«
»Wenn sie dich gesehen haben ...«
»... und auch im Harthof wissen sie Bescheid über mich.«
»Und was ändert sich damit?«
»Sandra, frag mich was Leichteres. Wenn ich das wüsste, würde ich als Wahrsager Geld scheffeln.«
»Alles sinnlos ohne Kristallkugel.«
»Das darfst du laut sagen.«
Wer genau hingehört hätte, könnte den genervten Unterton heraushören. Der Sandner hört genau hin. Seiner Kollegin sollte heute niemand schräg von hinten kommen. Höchstens gegen den Wind anschleichen. Es brodelt in ihr. Ob der Fall oder der falsche Fuß beim Aufstehen die Ursache ist, bleibt offen.
Er überlegt kurz, sich den Hartinger herbeizurufen. Nein – besser die U-Bahn. Besser für beide. Nicht überreizen.
Im Hausgang trifft er eine bunte Mischung seiner Nachbarn ins morgendliche Schwätzchen vertieft. Um das Wetter geht es. Die gemächliche Unbefangenheit rührt ihn. Anders als im Harthof, wo die Leute dich an eine Gruppe Erdmännchen erinnern. Immer auf der Hut vor dem Greifer, immer misstrauisch und bereit zur Flucht, sobald ein Schatten über das Land fällt oder ein ungewohntes Rascheln sie aufschreckt. Nur ein Tag – und angesteckt hat es ihn wie eine Influenza. Als wenn das Herz im schnelleren Takt schlagen muss, vom unerbittlichen Trommler angetrieben. Wobei – auch seine Mitbewohner können ihre Krallen zeigen, wenn sie es für nötig halten. Der Sandner kann ein Lied davon singen.
W es Lied ich sing, des Brot ich ess. Im Moment würgt die Wiesner an den Brocken, die der Wenzel ihr in den Schlund stopft. Dass ihr Lieblingsplatz aktuell ihr Schreibtisch in der Hansastraße wäre, kann niemand behaupten. Im Gegenteil. Sie wünscht sich weit, weit fort. Mit Kapitän Nemos Nautilus auf Tauchfahrt in der Tiefsee zum Beispiel. Gerade hat sie aufgeschlagen im Büro, da ist der Staatsanwalt bereits hereingeplatzt und pflanzt sich vor ihr auf.
Der Perisic ist nur ein kleines Staubkörnchen, aber durch den aufkommenden Sturm ist er ihr direkt ins Auge gewirbelt worden. Schmerzhaft. Zu Wenzels Amüsement trägt es nicht bei.
Eine Streifenwagenbesatzung ist gestern in den Ostpark geordert worden – irgendein Gschaftlhuber hat es nicht lassen können, die Einseinsnull anzuläuten. Der verprügelte Zausel hatte sich längst vom Acker gemacht, um woanders zu saufen, aber einige wackere, unverwüstliche Zeugen haben noch am Ort des Geschehens ausgeharrt. Natürlich hat jemand Fotos von der Polizistin geschossen. Gestochen scharfe Nahaufnahme mit erhobenem Dienstausweis. Mittlerweile wirst du dir die Verbrechen bei YouTube anschauen können, bevor sie passieren. Zuerst haben die Uniformierten Amtsmissbrauch gewittert, aber einer der Beamten auf der Wache hat heute Morgen die Wiesner auf dem Schnappschuss erkannt. Ausgeschlafener Kollege. Von diesem Moment an ist nur wenig Zeit verstrichen bis zum Anruf bei der Staatsanwaltschaft.
Sie hat versucht, den Faustschlag des Perisic als harmlose Rangelei zu verkaufen. Zu allem Überfluss hat sich der Inspektionsleiter des Harthofer Sheriffs prompt beim Staatsanwalt und dem Polizeirat gemeldet und Sandners Harthof-Mahlzeit verpetzt, als sie noch arglos beim Frühstück gesessen ist.
Sein Untergebener hätte in bereitwilliger Pflichtschuldigkeit angegeben, dem Perisic geraten zu haben, er solle die Anzeige gegen Yilmaz zurückziehen. Schließlich wäre der Yilmaz ein geläuterter Familienvater gewesen, quasi vom Saulus zum Paulus, und sollte wegen einer harmlosen Rauferei nicht wieder ein Malheur haben. Der Perisic wäre demgegenüber ein unverbesserlicher Gesetzesbrecher, ein dissoziales Element, und nur auf Schmerzensgeld aus gewesen.
Der Sheriff ist halt selbstlos bemüht, sich um die Leute in seinem Viertel zu kümmern. The Big Daddy. Ihm daraus einen Strick zu drehen wäre eine Frechheit. Großartig! Soll keiner sagen, dass die Polizei nicht verständnisvoll und lebensnah handelt. Dass der Perisic das konträr geschildert und die Wiesner Zweifel an der Darstellung des Sheriffs hatte, war dem
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