Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
windigen Weißkittel. Und wenn das Fleischstückerl von seiner Mutter wäre, wolle er das gefälligst sofort wissen. Keine Schonung. So hat sich der Sandner das vorgestellt. Mittlerweile müsste der Alte längst wieder zu Hause sein. Es ist ein Warnschuss gewesen. Sie, insbesondere der Jonny, müssten mehr auf den Ruheständler achten. In Zukunft soll der junge Polizist die Post aus dem Briefkasten holen, solange keiner wüsste, ob die Entführer aus der alten Brauner ein 3D-Puzzle machen wollten. So eine Geschichte hat schon ganz andere Leute schachmatt gesetzt.
Der Hartinger ihm gegenüber blättert unmotiviert in der zweiseitigen Speisekarte.
Dass die Malercombo wieder ihren Stammtisch besetzt hat, wundert den Hauptkommissar nicht. Die gehörten wohl zur Ausstattung wie Stuhl und Tisch. Sogar am Sonntag. Schwarzarbeit in Weiß. Ihre Menüwahl ist unflexibel und von der Tageszeit unabhängig. Egal wie sich das Gericht nennt, Hauptsache paniert und vom Schwein.
Diesmal erscheint keine Bedienung am Tisch, sondern der Wirt himself. Möchte den Sandner in Augenschein nehmen, um abzulesen, ob das Wetter gut bleiben wird. Zumindest in seiner Gastwirtschaft. Draußen hat es sich derweil eingeregnet. Einen gehässigen Moment lang stellt sich der Sandner vor, wie er den Wirt eintauchen würde mit dem Rüssel in den Kartoffelsalat, bis der wieder nach seinem Lieblingspolizisten greinte. Vielleicht könnte er den Kastelmeyer nervös machen. Andererseits hat er Interesse daran, als zurechnungsfähig zu gelten.
Der Hartinger knabbert am kredenzten Hawaii-Toast. Der Sandner isst nichts. Er widmet sich ganz seinem Gegenüber.
»Schmeckt’s dir?«
Der Rotschopf nickt ihm mit vollen Backen zu. Der Hauptkommissar lächelt. Zumindest die Mundwinkel.
»Das ist fein.«
Sandners Idee ist nicht innovativ. Nicht einmal besonders Erfolg versprechend. Aber es ist eine Idee. Nur bei der Umsetzung bedarf es etwas kreativer Leistungsbereitschaft. Leidensfähigkeit beim Untergebenen. Mit vier Sätzen ist das Wesentliche eingerahmt.
Der Hartinger ist schockiert. Da muss er durch. Der Sandner hat seine Verdächtigen sortiert. Bezüglich Frau Brauners Entführung kann er sie an einer Hand abzählen. Und die meisten bringt er mit Ansis Kaschemme in Verbindung. Schließlich findet der Gestreifte dort Abnehmer für seine Geschichten, wenn ihm der Schnaps die Zunge löst. Über die Frau Fuhrer macht er sich auch seine Gedanken. Aber der Zufall könnte dem Boandlkramer in die Hände spielen. Insbesondere will er nicht die ganze Bagage vorladen, wenn er dabei vielleicht ein Helferlein übersieht – vielleicht der eine oder andere Stammgast, den dann die Panik überkommt. Er wird sie in Sicherheit wiegen. Dazu kommt, dass irgendein Drecksack der alten Brauner vielleicht ein Loch ins Fell gestanzt hat. Daran hat er zu beißen. Was könnten sie ihr noch antun? Fakten will er haben. Sofort. Und dafür wird der Hartinger sorgen. Der Sandner will mit dem Rotschopf auf zur Kneipe. Diesmal wird es ein Besuch der anderen Art beim Ansi. Schnell muss es gehen, bevor die Polizei anrücken würde. Schnell und effektiv.
Gabel und Messer liegen neben den Resten des Toastes. Der Appetit ist dem jungen Ermittler vergangen.
Der Sandner ruft den Wirt herbei und gibt großzügig Trinkgeld. Das versüßt dem Dicken die Erinnerung. Sie machen sich auf den Weg.
Die Weißen unterbrechen kurz das Mahl und nicken ihm zu. Ein Höchstmaß an Ehrbezeugung.
»Warum ausgerechnet ich?«, lamentiert der Hartinger. Rhetorische Frage. Die passende Antwort lautet schlicht: weil.
»Weil du schneller bist als ich. Bist du beim Stadtmarathon mitgelaufen oder nicht? Du parkst das Auto ums Eck.«
Das kann man doch nicht vergleichen. Und wenn wer die Autonummer notiert?«
»Glaub ich nicht.«
»Das ist eine Straftat. Da gibt’s bestimmt eine andere Möglichkeit.«
»Bestimmt – sag mir eine? Und es ist höchstens eine Ordnungswidrigkeit.«
Der Hartinger schluckt und schweigt. Nebeneinander schreiten sie den Weg entlang, der die Rasenflächen vor den Wohnblöcken in kleine Häppchen portioniert. Beide die Hände auf dem Rücken, als wären sie Philosophen bei der Frage nach dem Sinn des Universums. Ihre Blicke sind auf den Boden vor ihnen gerichtet. Der Asphalt ist porös, als hätte er die Pocken. Vom Schuhwerk jahrzehntelang zusammengetreten, von der Sonne gebacken, der Kälte tiefgefroren worden. Der hätte etwas zum Thema Sinn beitragen können. Wenn nicht der, wer
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