Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Schuldbeladen, den Kopf zwischen den Schultern, die Miene verkniffen, steigt er aus seinem Wagen. Zögernd kommt er auf sie zu, um seine Buße zu empfangen.
»Locker bleiben«, begrüßt ihn der Sandner.
Die Wiesner gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
»Depp, tragischer«, sag sie. Das muss genügen fürs Erste.
Der Sandner hat sie bereits ins Bild gesetzt.
»Immerhin der Einzige, der eine Gaudi am Fall hatte«, meint der Hauptkommissar.
»Das siehst du ein wenig eindimensional«, kritisiert seine Kollegin.
»Bei mehr als einer komm ich durcheinander.«
»Das ist das Alter. Die Jungen brauchen halt noch drei.«
»Bis die Jungen wissen, was sie brauchen, sinds längst nicht mehr jung.«
»Den Alten nützt ihr Wissen eh nix mehr, das ist höchstens verblichene Erinnerung.«
»Werd nicht persönlich, Sandra, vor den Untergebenen.«
»Merkst du was, Hartinger? Jetzt ist er neidisch.«
Ihr geplagter Kollege erträgt das Geplänkel mit duldsamem Gestus. Verstehen soll er durch den Dialog, dass sie ihm den Kopf nicht abreißen werden. Und Vertrauen sollte er haben, dass sie es richten werden. Was immer »richten« bedeuten mag. Erst einmal muss man das gelegte Ei in Händen halten, dann würde man sehn, ob nur das faul wäre oder man besser gleich die Henne abkragelt, den Hühnerstall abfackelt und den Bauernhof in die Luft jagt. Eins nach dem anderen.
Die passende Adresse zur Telefonnummer gibt es innerhalb Minuten. Arthur Stemmer wohnhaft in Daglfing. Oberstleutnant a. D. Arthur Stemmer, um genau zu sein. In Daglfing bewohnt er ein kleines Häuschen. Und der Sohn betreibt eine Kneipe im Harthof. Da wird sich der Vater nicht gefreut haben über den Filius, was die Fußstapfen betrifft. Der Job vom Sohnemann ist dem Sandner sympathischer. Bier trinken wollen die Menschen allerweil. Bei den ständigen Schlachtfesten in der ersten Reihe zappeln ist nur was für hirnlose Marionetten. Nichts für Leut aus Fleisch und Blut. Auf Letzteres sind Generäle scharf, sonst taugen sie nicht fürs Geschäft. Die Optik ist wichtig.
D en Brauner haben sie nicht vergessen. Der Jonny hat ihn nicht vergessen. Kaum hat er beim Ömer aufgeschlagen und die Mutter abgesetzt, ist er schon weitergerast Richtung Obermenzing. Unterwegs hat er noch dafür gesorgt, dass ein paar Beamte auch in den Genuss von Ömers Döner kommen. Schließlich ist das Madl eine kostbare Zeugin.
Nun hat er die frohe Kunde im Gepäck. Je früher, je besser. Auch wenn niemand sicher weiß, wo dessen Mutter verstaut ist, glauben sie, die richtige Idee zu haben. Die Wirtsfrau vom Ansi war mit der Altenpflegerin Isabella Weihrich im Café gesessen. Mindestens eine Stunde lang. Die werden nicht über das Münchner Wetter geplaudert haben. Das reicht für eine fette Hypothese – muss reichen. Mehr haben sie nicht in der Tasche. Plus einiger Mutmaßungen vom Sandner über das, was der Gestreifte weitergesagt hätte und einen Sohn, der seinen Vater braucht, solange der noch lebt. Der Ansi und seine Frau hatten sich für den kleinen Bene eingesetzt – quasi ihr Pflegekind. Was der Vinzent dem Sandner erzählt und der selbst bei Frau Fuhrer erlebt hatte, füttert die Annahme. Und der Gestreifte hatte dem Ansi bestimmt ausgeplaudert, was seine Frau ihm gebeichtet hatte. Eins führt zum anderen.
D en U-Bahnhof Harthof wird der Sandner noch länger vor Augen haben. Dort, bei der Bushaltestelle haben sie ihren Treffpunkt vereinbart. Schneller als erwartet stößt der Jonny zu ihnen. Das Blaulicht peppt auf seinem Wagen. Auf dem Beifahrersitz hat er den Ex-Oberstaatsanwalt sitzen.
»Wer braucht schon die Sondereinsatztruppe, wenn er euch sieht?«, begrüßt sie der Sandner. »Angst und Schrecken verbreitet ihr.«
»Besonders Schrecken«, ergänzt der Hartinger mit Blick auf den Jonny. Zumindest schießt langsam wieder Leben ein in den Rotschopf.
Dem Hauptkommissar war klar, dass der Jonny den Brauner an seinen Lesesessel hätte fesseln müssen, um ihn am Mitkommen zu hindern. Mindestens.
»Der Beppo wollt unbedingt mit«, versucht der junge Beamte sich zu erklären.
»Is gut, Jonny«, sagt der Brauner. »Der Sandner versteht das schon. Kannst nix dafür. Also auf geht’s? Wo müssma hin?«
Der Sandner hat bezüglich Brauners Mutter ein mulmiges Gefühl. Natürlich kann die Situation eskalieren, gerade weil sie es nicht mit eiskalten Profis zu tun haben würden. Nichtsdestotrotz weiß er die Befreiung der Entführten in guten Händen. In seinen. Mit dem
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