Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
»Sturmhauben. Vier Stück. Eine normale Tür schieß ich auf in nullkommanix.«
»Wieso Sturmhauben?«, wundert sich der Sandner. »Glaubst du, dass die Leute der Schlag trifft, wenn sie deine Visage sehen?«
»Wieso? Ist halt martialisch. Beeindruckend. Macht man so. Der Beppo hat gemeint ...«
»Macht man so? Okay. Du wirst sie aufsetzen, Rambo. Stellvertretend. Dienstanweisung. Ich setz große Hoffnung auf die Türklingel«, sagt der Sandner. Plötzlich kommt ihm ein Gedanke. »Brauner, gib dem Jonny deinen Schießprügel.«
Der junge Polizist macht große Augen und wendet sich um.
»Sandner, ich ...«, beginnt der Alte.
»Du gibst ihm die Pistole, Brauner, oder ich fahr nicht weiter mit dir. Ich schmeiß dich hier raus, mein Wort drauf.«
»Du bist der Boss, Sandner«, knurrt der Brauner. Er greift in die Jackentasche und reicht dem Jonny die Waffe. Es ist eine alte Glock.
»Gibt’s Chinesen in Daglfing?«, fragt der Jonny. Er starrt die Waffe an und schüttelt den Kopf.
Der Sandner deutet aufs Handschuhfach. Dort wird sie verstaut. Er will den Brauner nicht fragen, ob er noch ein Taschenmesser einstecken hat oder eine Nagelschere. Die verhinderte Kampfmaschine auf der Rückbank schweigt und schaut mit vorgerecktem Kinn aus dem Fenster. Zur Not hätte er den Stock.
Es ist Sandners erste Befreiungsaktion einer Entführten, wenn man davon absieht, wie er seiner Maria in Bad Kohlgrub hinterhergehetzt ist. Hoffentlich auch seine Letzte. Die lebenden Opfer sind zerbrechlich. Bei seinen üblichen Fällen kann nicht viel kaputtgehen. Da hast du schon den Scherbenhaufen zu Füßen. Es geht ums Zusammenfummeln.
Der Hartinger hat letztes Jahr die Wiesner befreien dürfen. Fuchsteufelswilde Aktion. Der hat Erfahrungswerte. Aber der ist out of order.
Die Wiesner fährt mit ihm hinter dem Sandner her. Eine Geduldsübung. Trotz Blaulicht ist der Hauptkommissar die Mutter der Vorsicht. Übung in Contenance. Wenigstens kann sie sich dem Hartinger zuwenden. Der kaut an der Unterlippe, als wäre sie eine Leberkässemmel, und schüttelt immer wieder den Kopf.
»Du musst nicht mit«, meint die Polizistin. Sie will nicht sagen, du darfst nicht mit. Der Sandner wird sich etwas dabei gedacht haben. Vielleicht Abhärtung, wie im Eiswasser schwimmen oder nackt auf dem Petersplatz tanzen. Den passenden Gesichtsausdruck hat der Hartinger im Gepäck.
»Ich hock mich doch nicht inzwischen ins Büro«, knurrt er.
»Ich weiß.«
Mehr brauchst du nicht zu sagen. Kein warum und wieso. Kein Theater. Er wird tun, was von ihm verlangt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Sie wird sich auf ihn verlassen können – hoffentlich.
Sie drückt eine Taste am Player. »Got to let it go«, hallt es aus den Boxen. »Cat Empire«. Das, was sie jetzt benötigt. Oder sie beide. Sie haben noch eine Viertelstunde Zeit.
D as Haus liegt am Ende der Straße, umgeben von einem winzigen Grundstück. Sackgasse. Nicht gut. Sie können nicht vorbeifahren, um das Grundstück genauer zu erkunden. Per Google Earth haben sie sich das Gebäude angeschaut. Kein erkennbarer Hinterausgang. Eine Treppe führt von außen offenbar zum Keller.
Hundert Meter entfernt stoppen sie die Wagen. Im Haus brennt Licht. Hinter dem Grundstück verlaufen die S-Bahn-Geleise. Wenigstens etwas. Von hinten käme man unbemerkt über die Böschung an das Gebäude heran. Dafür sind der Jonny und der Hartinger zuständig. Mit oder ohne Sturmhauben. Hauptsache effektiv.
Der Sandner setzt ihnen seinen Plan auseinander. Fünf Sätze genügen. Ausgefeilte Reden verschleiern bloß, dass deine Idee auf wackligen Beinen steht.
Die beiden machen sich auf den Weg. Große Hoffnung setzt er auf sie.
Zeit, dem Brauner den nächsten Schlag zu verpassen.
»Du wartest im Wagen.«
Wider Erwarten nickt der Alte. Er ist Fachmann genug. Der Sandner schaut ihm prüfend ins Gesicht, dann greift er sich die Glock aus dem Handschuhfach und steckt sie ein. Mit der Wiesner schleicht er sich auf das Haus zu. Sie halten sich im Dunkeln. Der Ort scheint zu schlummern. Putzige Häuschen, die sich wie aufgezogene Perlen entlang der schmalen Straße reihen. Nur ab und zu fällt ein Lichtschein aus einem der Fenster.
Eine SMS teilt ihnen mit, dass die beiden Jungspunde in Stellung gegangen sind. »Null problemo«, kommt es vom Jonny. »Alles roger!«
Der Sandner löst sich aus dem Dunkel. Er geht auf das Haus des Oberstleutnants zu. Noch zwanzig Meter. Jeder Schritt erhöht ihm den Herzschlag. Das
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